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Gewinnenmüssen

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Während sich die Welt vor den unabsehbaren Folgen eines ausgewachsenen Handelskrieges zwischen den großen Wirtschaftsblöcken zu fürchten beginnt und die letzten Transatlantiker ihre Warnungen vor dem Untergang des Westens bestätigt sehen, rätselt das kleine Österreich wieder einmal über die Zukunft einer liebgewonnenen, aber sich in einer Sinnkrise befindlichen Institution: der Sozialpartnerschaft.

Christian Kern, der Vorsitzende der SPÖ, sieht nach dem türkis-blauen Beschluss des 12-Stunden-Tages "das Ende der Konsens-Republik" eingeläutet. Unklar ist, ob er auch die Pflasterstein-Aktion aus dem Umfeld des ÖGB darunter miteinschließt.

Falls Kern recht hat, handelte es sich um eine schlechte Nachricht. Immerhin steht die Sozialpartnerschaft bei den eigentlich harmoniesüchtigen Österreichern hoch im Kurs. Zumal die Vorteile einer Idee des sozialen Ausgleichs nicht von der Hand zu weisen sind. Allerdings weicht der Mythos auch hier beträchtlich von der gelebten Praxis ab.

Politik muss liefern, wie es auf Neudeutsch heißt. Das gilt für Parteien, Regierungen und Interessenverbände. Wem dies nicht gelingt, dessen Reputation nimmt in den Augen der Betroffenen bleibenden Schaden. Die Grundphilosophie der Sozialpartnerschaft lautete bisher stets: Es wird so lange verhandelt, bis es eine Lösung gibt. Das ist sicher leichter, wenn es um die Verteilung eines wachsenden Wohlstands geht. Zwar nimmt der gesellschaftliche Wohlstand bis heute zu, allerdings nicht überall zu gleichen Teilen, und manche müssen sogar mit einem schrumpfenden Anteil zurechtkommen. Das macht Lösungen zugegeben schwieriger, wenn auch nicht unmöglich. Hinzu kommt, dass nicht mehr nur Parteien um ihren Rückhalt bangen müssen, sondern längst auch die Verbände und Kammern unter Rechtfertigungsdruck ihrer Mitglieder stehen.

Das kann (muss aber nicht) eine Trump’sche Logik des "Gewinnenmüssens" in Gang setzen, die zwingend auch "Verlierer" produziert. Das peinlich-lächerliche Video der Wirtschaftskammer über die Vorzüge des 12-Stunden-Tages ist ebenso eine direkte Folge dieser Dynamik wie die jenseitige Pflasterstein-Aktion von ÖGB-Aktivisten (man stelle sich vor, es wäre die FPÖ gewesen). Sieg wie Niederlage im Interessenkampf gerät für die Verbände zur Rechtfertigung der eigenen Existenz im Angesicht der Mitglieder. Vergessen ist, dass die eigentliche Idee der Sozialpartnerschaft auf der Produktion von Win-win-Situationen für alle Beteiligten beruht.

Entweder die Sozialpartner verhandeln, bis es eine Lösung gibt. Oder sie übernehmen die politische Logik von Donald Trump. Dazwischen gibt es wenig Spielraum. So true, so sad.