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Nur halbe Demokratien

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Diese Republik kennt eine Handvoll Themen-Klassiker, die regelmäßig den politisch interessierten Teil der Öffentlichkeit heimsuchen und pflichtschuldig hin- und hergewälzt werden, um anschließend wieder von der Tagesordnung zu verschwinden. Selbstredend, ohne dass den Worten irgendwelche Taten gefolgt wären.

Die Sinnhaftigkeit einer Steuerhoheit für die Bundesländer ist so ein Klassiker.

Was das Thema so kompliziert für den österreichischen Gebrauch macht, ist, dass die Argumente dafür genauso valide sind wie jene dagegen.

Ja, Österreich ist ein kleines Land, das noch nicht einmal an die Einwohnerzahl Bayerns heranreicht und ohnehin bereits kompliziert genug konstruiert ist. Und ja, die (zumindest ansatzweise) Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung führt in aller Regel zu effizienteren Lösungen. Diese annähernd gleich verteilte Wertigkeit der Sachargumente macht aus der Steuerautonomie eine Haltungsfrage, die erfreulicherweise einmal ohne moralische Überfrachtung auskommt. Eine Seltenheit in unserer Zeit.

Ein elementarer Aspekt kommt bei der österreichischen Diskussion um die Steuerhoheit für die Bundesländer aber regelmäßig zu kurz: die demokratiepolitische
Dimension. Die Republik besteht aus neun Bundesländern, die wiederum mit Landesvolk, Landesparlament und Landesregierung samt Landeshauptmann oder -frau an der Spitze über eine formal vollwertige demokratische Verfasstheit verfügen. Mit durchaus beträchtlichem Aufwand.

Der Kampfruf "No taxation without representation" (auf Deutsch: "Keine Steuern ohne Vertretung") stand am Anfang der modernen parlamentarischen Demokratie, weil das Recht über die Einhebung der für die Erledigung der allgemeinen Angelegenheiten notwendigen Geldmittel den Kern jeder politischen Macht darstellt. "Representation" macht ohne "taxation" keinen oder jedenfalls nur den halben Sinn. Zum Recht, über die Verteilung von Steuergeldern entscheiden zu können, gehört zwingend die Entscheidung darüber, wer in welcher Form für diese Ausgaben aufzukommen hat.

In anderen Worten: Demokratie ist nicht nur dazu da, über die Verteilung der Wohltaten abzustimmen, sondern auch über jene der Lasten zu entscheiden. Nur in der Zusammenschau können sich die Bürger ein Bild von der Qualität "ihrer" Politik machen und dieses als Grundlage ihrer Wahlentscheidung heranziehen. Doch davon kann auf Landesebene keine Rede sein.

Solange also die Bundesländer nur über die Zuteilung von Wohltaten, aber nicht über die Einhebung der dafür notwendigen Mittel bei den Bürgern entscheiden müssen, ist deren Demokratie unvollständig.