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Salzburger Brexit-Harmonie

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Die Tagesordnung des informellen Gipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs in Salzburg wird zwar vom Thema Migration angeführt, beim abendlichen Arbeitsessen in der Felsenreitschule in Salzburg stand aber der Brexit auf der Agenda. Zwischen Short Ribs vom Rind, Ochsenherzparadeisern, Kukuruz und Bergwacholder sowie Kaiserschmarrn zum Nachtisch mussten sich die Gipfel-Gäste mit dem leidigen Thema herumschlagen. Aber schon im Sommer hatten beide Seiten den Ton geändert: Der Frühling war in Sachen Brexit von gegenseitigen Anschuldigungen und Armageddon-Szenarien geprägt, jetzt im Herbst stellen nun alle ihre Bereitschaft zum Dialog in den Vordergrund. Die Botschaft lautet: Die verbleibenden Probleme sind lösbar. EU-Ratspräsident Donald Tusk lässt aber zugleich immer wieder - nicht ohne Melancholie - durchblicken, dass er immer noch eine gewisse Resthoffnung auf einen Exit vom Brexit hegt.

Die verbleibenden EU-Staaten sind in einer einigermaßen komfortablen Position: Die Regierung von Theresa May ist nicht an einem harten Brexit interessiert und deshalb den Europäern in wichtigen Punkten entgegengekommen. Ein harter, chaotischer Brexit würde die britische Wirtschaft in den Abgrund reißen - das war nie ein Geheimnis.

Der Kollateralschaden für die EU wäre für einen solchen Fall aber freilich ebenfalls enorm. Daher ist die jetzige Linie der Kontinentaleuropäer in den Brexit-Verhandlungen, dem außergewöhnlichen Vorgang den Anschein einer gewissen Normalität zu geben.

Dabei geht es nicht zuletzt um Signale an die britischen Bürger - keinesfalls wollen Ratspräsident Tusk, Brexit-Chefverhandler Michel Barnier und schon gar nicht EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Eindruck erwecken, als würde May die Verhandlungen stümperhaft und wider die Interessen der britischen Bürger führen.

Das Kunststück besteht nun darin, die Wünsche der britischen Premierministerin an die EU möglichst ins Leere laufen zu lassen, ihr aber das politische Leben so leicht wie nur irgendwie möglich zu machen, um sie innenpolitisch unter keinen Umständen zu schwächen. Mays Argument sowohl nach innen als auch gegenüber den Kontinentaleuropäern lautet:
"Ich oder das Chaos." An ihrem Statement ist durchaus etwas dran.

Im Moment sieht es also so aus, als ließe sich die leidige Angelegenheit vernünftig lösen. Man sollte im Hinterkopf behalten, was Harold Macmillan (er war von 1957 bis 1963 britischer Premier) einmal auf die Frage eines Journalisten, was Regierungen denn in der Regel aus der Bahn werfe, gesagt haben soll: "Events, dear boy, events." - "Ereignisse, mein Junge, Ereignisse."