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Die Folgen des Streits

Von Simon Rosner

Leitartikel
Simon Rosner
© Thomas Seifert

Der öffentliche Streit, und existierte er auch nur in der Wahrnehmung der Menschen, also der Wähler, trägt nachweislich zu deren Vertreibung bei. Der jahrelange Popularitätsverfall der großen Koalition ist Beleg dafür, ihr Ende eine unmittelbare Folge davon und die ostentative Betonung der Harmonie unter Türkis-Blau die Lehre daraus: Bloß keinen Streit!

Neu ist die Erkenntnis nicht, Ex-Kanzler Werner Faymann inspirierte sie sogar zu einem Wahlversprechen ("Genug gestritten"), aber wie so oft hat die Umsetzung den Wahltag nicht überlebt.

Die Steigerungsform von Koalitionskonflikten sind Parteiquerelen. Abgesehen davon, dass das Eskalationspotenzial groß ist und zu Ausschlüssen (Junge Grüne), Abspaltungen (FPÖ/BZÖ) und Obmann-Rücktritten in auffälliger Häufigkeit (ÖVP) führen kann, ist mittlerweile allein die Existenz von Streitigkeiten eine prinzipielle Bedrohung für Parteien.

Diese Tatsache hat natürlich auch eine problematische Seite, denn der Streit ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Demokratie. Wird er aber rigoros von den Wählern bestraft, neigt die Politik dazu, ihm aus dem Weg zu gehen oder ihn zumindest zu verstecken. Das nennt man dann "Message Control". Querschüsse passieren FPÖ und ÖVP fast nie. Auch deshalb sind die Umfragewerte der Regierung trotz einiger unpopulärer Maßnahmen gut. Auf der anderen Seite verkürzt es den öffentlichen Diskurs. Die mangelnde Qualität einiger Gesetzesentwürfe (siehe Standortgesetz), ist eine Auswirkung davon.

Wichtig ist, worüber gestritten wird. Die Menschen können sehr wohl zwischen unnötigem Streit und wichtigen Diskussionen unterscheiden. So gesehen sind auch parteiinterne inhaltliche Debatten nicht generell ein Problem. Es kommt auf das Wie und Was an, sie sind für die Wahrnehmung bei den Menschen verantwortlich.

So gesehen ist die SPÖ gerade auf einem gefährlichen Trip. Das Konfliktmanagement ist schon länger desaströs, wie etwa die Kampfabstimmung in Wien um Michael Häupls Nachfolge offenbarte, die zur Bobo-gegen-Proleten-Wahl stilisiert wurde.

Das dürfte auch der Hintergrund des Wut-Postings der steirischen SPÖ-Politikerin Michaela Grubesa am Donnerstag in Richtung des neuen SPÖ-Managers Thomas Drozda ("Du BIST ein BOBO!!!!") sein. Doch auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig kann seine mangelnde Begeisterung über das neue Spitzenduo schwer zurückhalten - auch wenn er, wie andere Unmutsträger, stets auf die einstimmige Wahl der neuen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hinweist. Aber warum dann die Querschüsse? Oder war die einstimmige Wahl im Vorstand nur Show, quasi die SPÖ-Version der "Message Control", aber keine aufrichtige Unterstützung?

Wenn Wähler etwas noch weniger vertragen als Streit, dann ist das Unaufrichtigkeit in der Politik.