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Austria auf der Titelseite

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Wenn internationale Medien ihre Titelseiten dem kleinen Österreich widmen, geht jedes Mal ein Raunen durch die Alpenrepublik. Jene Minderheit, die davon Wind bekommt, ist dabei so verlässlich gespalten wie das Land bei den Wahlen der vergangenen dreißig Jahre. Was nicht verwundert, schließlich halten sich die internationalen Reporter bei ihrer Suche nach dem österreichischen Wesen an die hiesigen Fronten.

Zum "Spiegel" vom Juni, der Österreich als "Kleiner Brauner" charakterisierte, zur "Washington Post" vom August, die die Grundfesten der Demokratie durch die FPÖ in Gefahr sah, gesellt sich nun das US-Wochenmagazin "Newsweek". Zu einem einschlägig ästhetisierten Porträtfoto von Sebastian Kurz titelt das Magazin "Austria Rising" samt Untertitel, wonach der Kanzler "Europas Zukunft aus seiner dunkelsten Vergangenheit" neu erschaffe.

Der Blick von außen ist selten angenehm. Meist tut sich ein Graben auf zwischen der externen Wahrnehmung und der Binnensicht. Zudem finden sich oft Ungenauigkeiten, ja sogar Fehler. Auch im aktuellen "Newsweek"-Bericht gibt es einige.

Folgte man den Regeln der kognitiven Dissonanz, wäre es am einfachsten, Unbequemes einfach auszublenden. Dass ein 32-jähriger Kanzler an der Spitze eines Acht-Millionen-Staats tatsächlich die Macht hat, das liberale Europa in den Abgrund zu führen, kann man ja anzweifeln, selbst wenn man es glauben wollte.

Tatsächlich interessant ist jedoch die unterschiedliche Bewertung typisch heimischer Politiker-Rhetorik. Österreich ist seit jeher ein Land grandioser Übertreibungskünstler, die ihrer Wut und Enttäuschung über die herrschenden Zustände freien Lauf lassen. Man denke nur an Karl Kraus, Thomas Bernhard, Elfriede Jelinek, Josef Winkler und viele andere. Auch die Konsenspolitik nach 1945 war auf die Verhandlungstische beschränkt, vor den eigenen Leuten hatte der rhetorische Klassenkampf Hochkonjunktur.

Mit Jörg Haider begann dann eine neue Spirale der verbalen Zuspitzung und Erniedrigung, die sich bis heute munter weiterdreht. Dem politischen Gegner jede schlechte Absicht zu unterstellen, gehört seitdem zum guten Ton. Diese Auswüchse wurden zum Teil der politischen Kultur, zur rhetorischen Folklore, die nur eine Minderheit ernst nimmt. Und meist auch nur dann, wenn es gerade politisch passt.

Besucher von außen, die auf der Suche nach der Wahrheit mit Politikern und Intellektuellen reden, sind es jedoch womöglich gewohnt, politische Reden wortwörtlich zu nehmen. Ein Putsch ist da ein Putsch, und wer Aufräumen sagt, meint es auch. Vielleicht ist das der Grund, warum sich so viele Österreicher unverstanden fühlen, wenn sie ihr Land auf internationalen Titeln sehen?