Friedenspreis und die Krise der EU
Zum Friedensnobelpreis für die Europäische Union

Der Friedensnobelpreis für die Europäische Union ist kein Preis auf Hoffnung (Barack Obama), sondern ein Preis, mit dem die EU als erfolgreiches Friedensprojekt gewürdigt und in Erinnerung gebracht werden soll. Der politische Wille, in Europa keinen Krieg mehr zu führen, war die Antwort auf zwei entsetzliche Weltkriege und den Holocaust. Nicht die Menschheit, aber die Kriegsgeneration hat aus der Geschichte gelernt.

Die Begeisterung der Politiker der Eurozonen ist groß. Kritik gab und gibt es jedoch aus verschiedenen Richtungen, die nicht verschwiegen werden soll. Es fehle in der Begründung des Komitees der Beitrag der USA und der Nato zum Friedensprojekt, hieß es in einem Kommentar. Das Bombardement der Nato im Kosovo ist jedoch kein erwähnenswerter Beitrag zu Frieden und Völkerrecht. Es ist richtig, dass die Nato kein Öl gesucht hat, aber sie hat nach dem Ende des Kalten Krieges eine Legitimation für ihre Existenz gebraucht. Von linker Seite wird vor allem kritisiert, dass der Lissabonner Vertrag eine Aufrüstungspflicht, die "Battlegroups" und eine Beistandsverpflichtung (ohne Neutrale) enthält.
Aber die Geschichte der EU ist kein revolutionärer Akt, sondern ein Prozess, der immer wieder auch von den Machtinteressen der Großmächte beeinflusst wird. Am Ende des Prozesses soll aber eine EU stehen, die ein Friedensprojekt nach innen und außen ist. Wenn ein US-Autor die EU als Venus und Soft Power kritisiert, dann zeigt dies, dass sie auf diesem Weg ist.
Die Preisverleihung soll ein politisches Signal an die Öffentlichkeit sein. Dies in der richtigen Erkenntnis, dass die notwendigen politischen und ökonomischen Veränderungen der Zustimmung der Bürger, also einer demokratischen Legitimation bedürfen. Die Bewältigung der Finanzkrise erfordert eine neue Finanzarchitektur - oder wie es Helmut K. Anheier unter Berufung von Ralf Dahrendorfs ausgedrückt hat: ein ordnungspolitisches Finanzsystem, in dem die Finanzmärkte nicht von Politik und Zivilgesellschaft entkoppelt sind.
Gemeinsame Maßnahmen wie Finanztransaktionssteuer und Vermögenssteuer mögen sinnvoll und gerecht sein. Ohne eine Veränderung des neoliberalen Wirtschaftssystems werden die Finanzmärkte jedoch ihr Spiel mit neuen Instrumenten und diabolischen Anreizen (wie Nahrungsmittelspekulationen) fortsetzen. Es geht nicht darum, die Finanzwelt auszuschalten, sondern sie in ein gemeinsames System der Politik und Zivilgesellschaft einzubinden.
Die Zivilgesellschaft ist jedoch im Bereich Finanzen im Unterschied zu den Bereichen Frieden, Umwelt und Menschenrechte unterentwickelt (Attac ist eine Ausnahme). Daher ist es notwendig, den Einfluss der Zivilgesellschaft in diesem Bereich zu stärken. Dazu gehört auch eine systematische Heranbildung von Gegeneliten, die der Vereinnahmung der Finanzexperten entgegenwirken können. Eine innovative und kreative Bildungsaufgabe für Universitäten und Fachhochschulen!

Dr. Gerald Mader,
Rektor der EPU-Privatuniversität