Um Missverständnissen gleich vorzubeugen: Ich finde nichts komisch an Terror, tödlichen Anschlägen oder fanatischen Extremisten, die meinen, sie hätten das Recht, andere Leute umzubringen. Gar nichts.
Doch angesichts der Wieder- und Wieder- und Wiederaufbereitung der Terroranschläge des 11. September, die sich in den Vorjahren als Fixpunkt im Kalender der medialen Impresarios eingeschlichen hat, stellt sich schon die Frage: Wozu ist das eigentlich alles gut?
Vom "Spiegel" bis zur "Krone", vom ORF über RTL bis zu den Blogs oder Kolumnen, wie dieser hier, überall nine-elevened es: Nochmals die Bilder, yeah! Da kracht es hinein. Bist du gelähmt! Da das zweite Flugzeug, hier der Feuerball aus dem 80. Stockwerk, verzweifelte Menschen stürzen in die Tiefe, andere rennen um ihr Leben. Jetzt der Blick über den Hudson River auf die Türme, die wie eine gestrandete Dampflokomotive vor sich hinqualmen. Dann das bedrohliche Vibrieren der oberen Stockwerke und schließlich der Zusammenbruch. Zuerst der eine Turm. Dann der andere. Rumms. Staub. Wahnsinn!
Dazu gibt es Bildbände und Enthüllungsbücher und Berichte über "Inside Al-Quaida" oder "Wie die CIA den 11. September verschlief" oder "Osama Bin Ladens Lieblingsrezepte". Bilder von afghanischen Bergen im Gegenschnitt zu den brennenden Hochhäusern unterlegt mit dramatischer Musik in Moll mit viel bedrohlichem Bassgewummere.
Gibt es eigentlich schon einen Nine-Eleven-Remix?
Hätte ich die Rechte an dem Bildmaterial, säße ich schon in meiner Villa in Malibu.
Denn die Elfter-September-Gedenkwochen sind die neue Jahreszeit. Da hilft nicht einmal auf Urlaub fahren, weil das ja weltweit wiedergekäut wird. (Gut, in der arabischen Welt möglicherweise ein bisschen anders, aber doch auch. Aber wer fährt da noch auf Urlaub hin, wo es doch diese sympathischen Diktaturen jetzt nicht mehr gibt?)
Nein, die Bilder dieses Tages sind überall. Eigentlich ein Wunder, dass es noch keine DVD-Box "Best of 11. September" gibt.
Und dazu fabrizieren Kommentatoren triefendes Betroffenheitspathos mit Formulierungen wie: "Der Beginn einer neuen Zeitrechnung!" (Ich glaub ja eher, die Einführung des julianischen Kalenders war der Beginn einer neuen Zeitrechnung, aber bitte.) Oder es gibt lange Dokumentationen, die Verschwörungstheorien widerlegen sollen und so für diese erst richtig Werbung machen, weswegen sie nächstes Jahr wiederholt werden müssen. Und die Öffentlichkeit starrt auf die brennenden Türme und spürt den Kitzel des Schreckens.
Denn der 11. September führt uns vor Augen, wie sinnvoll es ist, Bürgerrechte auszuhöhlen, private Sicherheitsdienste den öffentlichen Raum überwachen zu lassen und Daten vorrätig zu speichern. Und so ist die jährliche Re-Inszenierung des Terrors zumindest für steigende Umsätze im grundsympathischen Security-Business gut.
Aber dann zieht die mediale Karawane weiter zum nächsten Großereignis, das all unsere Aufmerksamkeit verlangt: dem Oktoberfest.