Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache. Zuletzt ist "Österreichisch für Anfänger" im Verlag Amalthea erschienen, ein heiteres Lexikon, illustriert von Martin Czapka.
Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache. Zuletzt ist "Österreichisch für Anfänger" im Verlag Amalthea erschienen, ein heiteres Lexikon, illustriert von Martin Czapka.
Die Sozialdemokraten haben bei den Wirtschaftskammerwahlen mit einem Slogan aus der wienerischen Mundart geworben: "Es warad wegen der Wahl . . ." Das ist aus vielerlei Gründen bemerkenswert. Es stellt einen radikalen Bruch zu der früher recht aggressiven Diktion dar. Man denke nur an den altbekannten Slogan "Raus zum 1. Mai!"
Aus sprachlicher Sicht ist "Raus zum 1. Mai!" ein Imperativ, also eine Befehlsform. Das ist eine brüske Aufforderung, an den Maimärschen teilzunehmen. Keine Ausreden!
"Es warad wegen der Wahl . . ." ist hingegen ein Konjunktiv der
Höflichkeit, und noch dazu einer mit wienerischer Note.
Wobei klar ist: Zwischen dem Imperativ und dem Konjunktiv der Höflichkeit liegen Welten. "Mach das Fenster zu, es zieht!" Das ist eine beinharte Aufforderung. In Wien bekommt man manchmal zur Antwort: "Wie heißt das Zauberwort?" Wenn es jemand nicht wissen sollte: Das Zauberwort heißt "bitte": "Mach bitte das Fenster zu, es zieht." Es gibt Menschen, die nur dann reagieren, wenn man das Wort "bitte" verwendet.
"Machst du bitte das Fenster zu? Es zieht!" Auch hier kommt das Wort "bitte" vor, aber es hört sich süffisant an.
Höflich klingt hingegen: "Kannst du bitte das Fenster zumachen? Es zieht." Auch die Frageform ist also ein Zeichen der Höflichkeit. "Würdest du bitte das Fenster zumachen?" - Oder: "Könntest du bitte das Fenster zumachen?" Oder noch höflicher: "Wärst du so lieb und machst du bitte das Fenster zu?"
So nuancenreich kann die Sprache sein. Aber der Gipfel sprachlicher Kunst ist der wienerische Konjunktiv der Höflichkeit. "Es warad wegen der Wahl . . ." Im Standarddeutschen: "Es wäre wegen der Wahl . . ." Das ist die höflichste Form, wie man jemanden auffordern kann, sich an einer Wahl zu beteiligen.
"Es warad wegen der Wahl . . ." sagt beispielsweise ein Parteigenosse, der von Tür zu Tür geht und um jede einzelne Stimme kämpft. Vermutlich wollten die SP-Werber genau das ausdrücken - den Willen zur Mobilisierung, der sich bei der Wahl bezahlt machen soll. Die Wendung steht verklausuliert für: "Geht doch zur Wahl!"
Der ORF hat mit Ernst Hinterberger als Drehbuchautor eine hervorragende Kriminalfernsehserie gedreht: "Trautmann". Hauptfigur ist ein von Wolfgang Böck dargestellter Ermittler, der sich für seinen Vornamen Polycarp geniert und deshalb lieber mit "Trautmann" angesprochen werden will. Wenn seine Ermittlungen unmittelbar vor dem Abschluss stehen, klopft er an die Tür des überführten Mörders und sagt:
"I hättat no a poa Fragen . . ." Ein deutscher Kommissar würde
es anders formulieren: "Ich verhafte Sie!"
Der großartige Roland Neuwirth hat ein Lied mit dem Titel "Der Wiener Konjunktiv" geschrieben. Dort kommen sie alle vor, die Floskeln im Konjunktiv.
"Mia kamertn von wissn S eh, /
mia wan jetzt quasi da . . ./
Liegert leicht was an?/
A paar Minuten hätt ma no . . ./
Weil solltn Si was wolln von uns/
es könnt ja durchaus sei,/
alsdann, wann S was brauchertn,/ es stingert Ihna frei . . ."
Mir wird schwindelig angesichts dieser geballten Höflichkeit.