Im März 2020 stellte sich Elisabeth Hundstorfer die entscheidende Frage: "Machen wir weiter?" Die Monate davor hatte sie viel Zeit, Geld und Energie in ihr Projekt "der Achte" gesteckt, eine Bezirkszeitung für die Josefstadt in Wien.

Doch dann kam das Coronavirus. Kurz vor der ersten Drucklegung wurden Premieren verschoben, Vernissagen gecancelt, Hochzeiten abgesagt. Wie in ganz Österreich mussten auch die Lokale in der Josefstadt zusperren. Die Zeitungsmacherin ließ sich nicht verunsichern. "Wir ziehen das durch, weil wir eine fertige Zeitung in der Hand haben müssen, um den Menschen im achten Bezirk zu zeigen, was wir wirklich machen", erzählt Hundstorfer.

Zu Beginn der Pandemie also, als viele Betriebe noch gar nicht ahnen konnten, was auf sie zukommt, gründet Hundstorfer eine Bezirkszeitung. Heute, ein Jahr später, erscheint die fünfte Ausgabe. "Wir kennen es nicht anders als mit Corona", sagt sie.

Auflage gesteigert

"der Achte" legt seinen Schwerpunkt auf Kultur und Lifestyle. Kulturschaffende und Lokalbetreiber aus dem achten Bezirk sollen vor den Vorhang geholt werden. "Es gibt wahnsinnig viele interessante Menschen, die hier leben und arbeiten", sagt Hundstorfer. In der Zeitung findet man Kommentare von Altbundespräsident Heinz Fischer, ein Porträt über Austropop-Sängerin Marianne Mendt oder die Schauspielerin und Autorin Adele Neuhauser - allesamt Bewohner der Josefstadt.

Um Letztere drehte sich auch eine große Geschichte über den "Tatort Josefstadt". Denn das Kommissariat der Wiener Ermittler befindet sich im Studentenheim in der Pfeilgasse, Adele Neuhauser alias Kommissarin Bibi Fellner hat es nicht weit zu den Drehorten im Bezirk. "Wir haben den Drehbuchautor vom Wiener Tatort interviewt und der Drehbuchautor des Züricher Tatorts wohnt sogar in der Josefstadt", erzählt Hundstorfer.

Sie hat in Zeiten, in denen Printmedien ums Überleben kämpfen, einen mutigen Schritt gewagt. "Viele denken, das wird es eh nur einmal geben. Für eine Gratiszeitung, die von Inseraten leben soll, wird das schwierig", sagt sie. Doch bis jetzt hat die Zeitungsmacherin Erfolg. Angefangen hat sie mit einer Auflage von 20.000 Stück. Inzwischen hat sie auf 25.000 Exemplare erhöht. "Nach zwei Ausgaben sind uns die Zeitungen ausgegangen", schmunzelt Hundstorfer. Der Vertrieb wurde ausgeweitet, nun liegt "der Achte" auch in 950 Arztpraxen in mehreren Bezirken auf.

Die Resonanz der Menschen ist durchwegs positiv. Manche haben sich gemeldet, weil sie eine Zeitung nachbestellen wollten. "Eingefleischte Josefstädter, die geglaubt haben, sie wüssten alles über ihren Bezirk, wurden eines Besseren belehrt", sagt Hundstorfer.

Die Zeitungsgründerin hat Erfahrung im Medienbereich. Sie hat beim "Kurier" begonnen, nach der Geburt ihrer Kinder wechselte sie zu einem Verlag. Dort arbeitete sie mehr als 20 Jahre, verantwortetet auch ein Magazin als Chefredakteurin. Diese Erfahrung floss in das Projekt ein. "Wir wollten uns von kleinformatigen Gratiszeitungen und Bezirkszeitungen abheben. ‚der Achte’ ist grafisch sehr anspruchsvoll", sagt Hundstorfer, die in ihrem letzten Job als Chefredakteurin unglücklich war. Es gab keine Möglichkeit, sich oder das Produkt weiter zu entwickeln. "Ich bin über 50, aber ich will meine Jahre bis zur Pension nicht vergeuden", sagt die Jungunternehmerin.

Offene Redaktion

Sie sieht "der Achte" nicht nur als Lokalzeitung, sondern auch als ein Arbeitsplatzprojekt für Frauen 50plus. "Frauen in meinem Alter, die hochqualifiziert sind, sollten das auch anwenden können", sagt Hundstorfer. Seit Mitte Februar ist es kein Ein-Frau-Unternehmen mehr: Hundstorfer hat ihre erste Mitarbeiterin angestellt. "Wir müssen die finanzielle Lage abwarten." Für die Gründung hat sie eine staatliche Beihilfe bekommen, doch nun geht es ans Eingemachte.

Hundstorfer blickt dennoch positiv in die Zukunft. Sie plant eine offene, kuratierte Redaktion für und von den Menschen im Bezirk. Sie ist optimistisch. "Ich bin überzeugt, dass es funktionieren wird."