Ein Ringelspiel als symbolisches Bühnenbild. Foto:Werner Kmetitsch - © Werner Kmetitsch
Ein Ringelspiel als symbolisches Bühnenbild. Foto:Werner Kmetitsch - © Werner Kmetitsch

Nikolaus Harnoncourt, der vielen nach wie vor als Galionsfigur der Originalklangbewegung gilt, macht die tschechisch-nationalste aller tschechischen Nationalopern, Smetanas "Verkaufte Braut" auf - Deutsch. Aber er macht sie bei der Styriarte in Graz dann doch denkbar "original": Durch Zufall ist im Antiquitätenhandel vor einem Jahr ein Klavierauszug aufgetaucht mit der von Smetana selbst eingefügten Textübersetzung eines gewissen Emanuel Züngel. Da fehlten freilich noch die Rezitative - aber die entsprechenden Passagen fanden sich in der Originalpartitur in Prag. Bei den Aufführungen in Graz wartet man nun also mit exakt jener Textfassung auf, die Smetana (ein Deutsch-Muttersprachler übrigens) für gut und richtig und für seine Musik passend befunden hat.

Nun hören wir also die Polkas und die vielen anderen tschechisch-idiomatischen Tänze an dem Ort, wo Harnoncourt vor zwei Jahren Gershwins "Porgy and Bess" hat swingen lassen. Der Altmeister ist für Überraschungen immer gut. Und es wundert natürlich nicht, dass die Sache nicht in unkontrollierte Lustigkeit ausartet und Harnoncourt sich - wie gewohnt - viel Zeit lässt. Da gräbt sich die Ernsthaftigkeit durch die dem Folkloristischen angenäherten Musikschichten.

In diese Richtung also geht eine Reise, die Stück um Stück Überraschungen bereithält. Humor ja, Schmunzeln selbstverständlich - aber gewiss nie eine derbe Komik. Das Lavieren zwischen Dur und Moll zelebriert Harnoncourt mit dem famosen Chamber Orchestra of Europe. Das liest ihm wieder einmal jeden Wunsch von den Lippen ab.

Die Aufführung funktioniert so tiefenschichtig freilich nur, weil Harnoncourt auf die Vertrautheit der Musiker und Sänger untereinander und mit ihm bauen kann. Dorothea Röschmann blüht als Marie auf, wird von der knackigen Unschuld zur Tragödin, und sie hat diesmal ihr Vibrato bestens im Griff. Kurt Streit, dieser fulminante "deutsche" Tenor, steuert ohne jede Schlacke in der hell timbrierten und bestens fokussierten Stimme über die unglaublichsten Höhen. Ruben Drole ist ein Kezal, der gleichsam parlierend, mit eloquenter Überredungskunst sticht: ein abgründig "schwarzer" Bass mit sagenhafter Wendigkeit. Gar keine bizarre, sondern echtes Mitleid erweckende Figur: Markus Schäfer als der tollpatschige Vasek, der ja eigentlich als Bräutigam vorgesehen wäre. Heinz Zednik ist der Zirkusdirektor, und ebenso luxuriös besetzt ist das Bauernpaar Krusina und Ludmila mit Anton Scharinger und Elisabeth Kulman.

Fürs böhmische Dorf steht ein Jahrmarktsgelände und dafür - charmant! - ein Original: Man hat ein Ringelspiel aus dem Jahr 1926 erworben, Teile davon hinter dem Orchester aufgebaut. Reizend, die gemalten Deko-Elemente und die bunten Glühlampen. Eine Aufführung, die sich bescheiden "halbszenisch" nennt und doch keine Wünsche übrig lässt. Philipp Harnoncourt hat ein Arrangement, ein Environment (oder wie man das nun nennen mag) geschaffen, das dem Puls der Musik und eben auch der Melancholie haargenau entspricht. Die Einsamkeit der Liebenden, vermittelt im Retro-Look des alten Ringelspiels.

Der Arnold Schönberg Chor ist mit gewohnter Präzision am Werk, die Chorgruppe steht zugleich für die staunenden und kommentierenden Zuschauer dieses Braut-Verkaufs, dessen hohe Rendite das hörende und schauende Publikum merklich genießt.

Oper

Smetana: Die verkaufte Braut

Leitung: Nikolaus Harnoncourt

Wiederholungen: 28., 30. Juni,

2., 4. Juli.

Helmut List Halle Graz

Übertragung Ö1: 2. 7., 19 Uhr