Ferenc (Alexander Pschill) und Alva (Hilde Dalik) im gemeinsamen Flirtrevier. - © Copyright: Gernot Singer, gernot.singer@gmx.net / Photographer: Gernot Singer, +43
Ferenc (Alexander Pschill) und Alva (Hilde Dalik) im gemeinsamen Flirtrevier. - © Copyright: Gernot Singer, gernot.singer@gmx.net / Photographer: Gernot Singer, +43

Es gibt Phrasen in Beziehungsgesprächen, nach denen meist nicht wirklich Erbauliches folgt. "Ich will dir etwas sagen" ist so eine davon. Oder auch "Wir müssen reden!" Igor Bauersima stellt seiner Interpretation von Arthur Schnitzlers Traumnovelle, die Donnerstag im Theater in der Josefstadt Uraufführung hatte, den Satz "Ich hatte einen Traum" voran. Auch das will man in der Regel nicht hören. Too much information!

Als Schnitzler zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Traumnovelle skizzierte, war sein Mediziner-Kollege Sigmund Freud längst am Höhepunkt seiner Karriere angelangt und das Faktum, dass ein Traum selten das reine, unbeeinflusste Gebilde der Fantasie des Träumenden ist, begann zumindest ins Bewusstsein der interessierte Allgemeinheit einzusickern. Als Schnitzler das Werk 1925 vollendete, stand er in Kontakt mit dem Entdecker der Psychoanalyse. Genau aus diesem Blickwinkel muss man das Werk lesen: als Ausflug in die Abgründe der Seele, wo unterdrückte Wünsche bis hin zu monströsen Rachgelüsten reifen, die auch vor Gewalt nicht haltmachen.

Der Schweizer Dramatiker Igor Bauersima hat Schnitzler mit seinem Text einen Rebrush verpasst und die Figuren samt ihren Gadgets wie das unvermeidliche Smartphone in die Gegenwart geholt. Er baut dem Stück eine Rahmenhandlung: Die Traumnovelle wird in den Traum eines Paares von heute verlegt, den der Pianist Bernard (Michael Dangl) seiner Freundin Zelda (wortkarg: Meaghan Burke) erzählt. Diese Erzählung erweckt die Bühne zum Leben, das Verhängnis nimmt seinen Lauf - das Spiel beginnt.

Darin ist Alva (überzeugend: Hilde Dalik) nicht wie Schnitzlers Albertine das liebende Hausmütterchen, das sich treu sorgend um Heim und Herd kümmert. Sie ist Schauspielerin und hat ihren eigenen Kopf. Sie betrügt ihren Mann, träumt von den Verlockungen des gepflegten Gangbang und als dicker Schlussgag stellt sich heraus, dass sie um die vermummte Geheimgesellschaft der besseren Kreise weiß, in die ihr Mann Ferenc (stark: Alexander Pschill) nichts ahnend hineinstolpert - aus eigener Anschauung.

Und alle Fragen offen


Ferenc wird von Bauersima auf die Ochsentour durchs zwielichtige Wien geschickt, die bei Schnitzler schon Fridolin durchleben musste. Nur hier und da setzt der Autor den Korrekturstift an, etwa wenn die Gelegenheitsprostituierte Domino (verlockend: Nina Fog) die moralinsaure Rechnung in Form eines positiven Bluttestes serviert bekommt.

Viele Fragen, die bei Schnitzler offen bleiben, lässt auch Bauersima unbeantwortet, was den Charakter des außer Kontrolle geratenen Traumes verstärkt. Was ist mit den Menschen, die ständig verschwinden? Sind sie die Opfer der mordenden Kostümierten, die sich an Leid und Sterben jener ergötzen, die ihnen in die Hände gefallen sind? Hier zieht Bauersima, der auch Regie führte, die von Schnitzler angelegten Daumenschrauben nochmals kräftig an.

Es ist sicher schwierig, einen schon damals außergewöhnlichen Text wie die Traumnovelle noch einmal nachzuschärfen. Dennoch versucht es Bauersima, was nicht immer gelingt. Das Profil der Figuren, obwohl nachvollziehbar, gerät eher oberflächlich und lässt die Tiefe vermissen, die Schnitzlers Text ihnen gab. Kaum eine selbständige Frau bleibt heute bei einem Mann, den sie im Herzen verachtet. Und wenn sie es doch tut: Warum? Und wenn Alva auch den Ausschweifungen frönte, steht es dann 1:0? Oder 2:0 mit dem gestandenen Seitensprung? Und was heißt das jetzt?

Dass der Funke in diesem Setting nur bedingt überspringt, liegt nicht an den Darstellern: Pschill und Dalik, die das zentrale Paar geben, spielen überzeugend und mit Einsatz. Die Josefstadt verfügt über ein exzellentes Ensemble, das auch die Nebenrollen glänzen lässt. Den ganz großen Treffer lässt Bauersima jedoch aus.