Das Wiener Staatsballett unter seinem Leiter Manuel Legris schwimmt auf einer Erfolgswelle. Mit dem dreiteiligen Ballettabend, der Freitagabend in der Volksoper Premiere feierte, hat das Ensemble erneut seine Vielseitigkeit unter Beweis gestellt und man kann sich nur wundern, über den Elan und den Enthusiasmus, der sich von der Bühne in den Zuschauerraum überträgt. So blendend gelaunt und bei der Sache wie anlässlich der Premiere in der Volksoper, sah man ein Ballettpublikum schon lange nicht mehr.

Mit Carl Orffs "Carmina Burana", Claude Debussys "Nachmittag eines Fauns" und Maurice Ravels "Bolero" gelangen musikalische Meisterwerke des internationalen Repertoires in eigenen, für das Haus geschaffenen Fassungen auf die Bühne. Maßgeschneidert also von Choreografen, die aus dem Ensemble kommen und die Möglichkeiten der Truppe genau einschätzen können. Der dramaturgische Aufbau setzt klug auf Claude Debussys "Nachmittag eines Fauns" als Appetizer.

Boris Nebyla lässt in seiner Fassung den durchtrainierten und geschmeidigen Mihail Sosnovschi sich nach Liebe und Zuneigung sehnen, die ihm von Tainá Ferreira Luiz kurzfristig gewährt wird. Diese sinnlich aufgeheizte Episode macht Lust auf mehr. Es folgt, ohne störende Pause dazwischen, Ravels Bolero in der Choreographie von András Lukács. Lukács hat die hinlänglich bekannte musikalische Rhythmusorgie in einen mit schwarzen Tüchern ausgehängten Ballsaal verlegt, den sich zehn Paare in zunächst einfachen Wiegeschritten erobern. Tänzer und Tänzerinnen sind mit bauschigen, schwarzen Taftröcken festlich gekleidet (Kostüme: Monika Herwerth). Die tänzerischen Figuren erinnern formal an die streng reglementierten Schreittänze vergangener Tage und nehmen den stringenten Rhythmus der Musik auf. Allerdings geht ein Teil der Wirkung dieser einfallsreichen Choreographie durch die (noch) nicht präzisen Armbewegungen verloren.

Nach dem bejubelten "Bolero" liefert die Choreografin Vesan Orlic mit ihrer Interpretation der szenischen Kantate "Carmina Burana" von Carl Orff die eigenständigste Arbeit des Abends. Sie positioniert den Chor gleichberechtigt mit dem Ballettensemble und den Gesangssolisten auf der Bühne und bezieht ihn ins Geschehen ein. In der Bühnenmitte dreht die Göttin Fortuna (imposant und unerbittlich: Florian Hurler) unbeeindruckt von menschlichen Regungen am Glücksrad, gibt und nimmt drei Paaren Glück und Liebe oder Einsamkeit und Verzweiflung.

Berührend das alte Paar von Gabriele Haslinger und Percy Kofranek, tänzerisch vielversprechend Susanne Kertesz, Gleb Shilov, Ekaterina Fitzka, Samuel Colomber  und Gala Jovanovic. Die Passage "In Taberna" gestaltet Vesna Orlic zu einer fulminanten und witzigen Satire über die Ausschweifungen des Klerus. Manches wirkt ein wenig überfrachtet und unausgegoren, doch der Gesamteindruck überzeugt.

Hervorragend sind die Gesangssolisten Beate Ritter, Jörg Schneider und Klaus Kuttler, glänzend disponiert der Chor der Wiener Volksoper. Das Orchester unter der Leitung von Guido Mancusi wächst an diesem Abend förmlich über sich hinaus. Einhelliger Jubel für einen in jeder Beziehung herausragenden Abend.