(irr) Mit "La traviata" verhält es sich so ähnlich wie mit Vanilleeis: Wer Opern nicht prinzipiell abhold ist, mag dieses Verdi-Werk - und braucht es auch nicht unbedingt in Bestfassung. Kein Regieideen-Feuerwerk? Kein Weltstar? Na gut. Muss ja auch nicht jeden Abend das Sorbet vom Edelitaliener sein.

Womit jetzt nichts gegen jene Künstler gesagt sein soll, die derzeit an der Staatsoper Beifall ernten. Allerdings: Durch die singuläre Natalie Dessay hatte die Vorjahrspremiere einen charismatischen Gegenpol zum ebenso mäßig mit Ideen wie Requisiten bestückten Spiel im Spiel von Regisseur Jean-François Sivadier. In der zweiten Spielserie ist diese Ödnis ein Stresstest: Taugt Dessays Nachfolgerin zum Kraftzentrum?

Ein vokales Kraftbündel


Erstmals lässt Ermonela Jaho ihren global gebuchten Sopran hier erschallen. Fürwahr: Dessays Achillesferse - geringes Klangvolumen - ist nicht die ihre. Das albanische Stimmkraftbündel erfreut vom knackigen Brust- bis zum schneeweißen Spitzenton, am meisten aber mit Piano-Delikatesse. Was auch daran liegt, dass Jahos lautem Gesang oft eine altertümliche Vibrato-Inbrunst innewohnt - und Emotion erst mit fortschreitendem Siechtum der Titelheldin hörbar wird. Unglaubwürdiger, weil gestisch grob, wirkt der Bühnenliebhaber. Aber: Dank Stimmschmelz und der drahtigen Agilität einer Sprungfeder darf Francesco Demuro als Vollblut-Tenor gelten.

Als Kontrast dazu hat das introvertierte Dirigat Bertrand de Billys Reiz - doch auch, weil es nach langen Startturbulenzen noch ätherische Finessen findet. Den meisten Beifall aber heimst just der Liebesglück-Verderber Giorgio ein: der mit Kraft, wiewohl mancher Unwucht agierende Željko Lučić.

Oper

La traviata

Staatsoper, Wh.: 13., 16., 20. Mai