London. In die schwerste Krise ihres gut zweijährigen Bestehens ist die britische Regierungskoalition aus Konservativen und Liberaldemokraten geraten, nachdem Liberaldemokraten-Chef und Vize-Premier Nick Clegg den Koalitionspartner beschuldigte, den Pakt beider Parteien "gebrochen" zu haben.

Clegg warf der konservativen Partei des Premierministers David Cameron vor, sich nicht mehr an eine zwischen beiden Seiten getroffene Vereinbarung zur Reform des britischen Oberhauses halten zu wollen. "Damit ist ein Teil des Vertrages zwischen uns gebrochen worden", erklärte er. Im Gegenzug würden die Liberaldemokraten nun die von den Tories gewünschte Neuregelung der Wahlkreise in Großbritannien nicht länger unterstützen.

Einen derart scharfen Ton hatten die Koalitionspartner bisher im Umgang miteinander noch nie angeschlagen. Der Streit war entstanden, als jüngst 91 Tory-Hinterbänkler sich der von den Liberaldemokraten betriebenen Oberhaus-Reform widersetzten. Cleggs Partei hatte eine Halbierung der Zahl der Mitglieder der alten Adelskammer gefordert und darauf bestanden, dass 80 Prozent der Oberhaus-Parlamentarier künftig nicht mehr ernannt, sondern direkt gewählt würden.

Dem hatten sich die Traditionalisten bei den Konservativen widersetzt. Auch Cameron hatte seine Partei nicht zum Festhalten an der Koalitionsvereinbarung überreden können.

Trotz der scharfen Gegensätze wollen weder Clegg noch Cameron die Koalition fürs Erste aufgeben. Beide halten das Regierungsbündnis zur Sanierung der britischen Finanzen weiter für nötig. Für die Liberaldemokraten ist die Koalition aber zu einem echten Problem geworden. Während sie unpopuläre Pläne der Konservativen - wie die Erhöhung der Studiengebühren auf 9000 Pfund im Jahr - unterstützten, ist ihr Plan einer Wahlrechtsreform im Vorjahr kläglich gescheitert. Nun liegt auch die für sie wichtige Oberhaus-Reform in Scherben. In der Partei selbst regt sich zunehmend Kritik an Nick Clegg.