Barcelona/Wien. "Ausländer, Barbar" - was die Japaner mit dem Wort Gaijin bezeichnen, ist in Katalonien der Xarnego. Er ist ein unerwünschter, vielleicht gerade noch geduldeter Mensch, und unter Ausländer verstehen die Katalanen die restlichen Spanier. Da ist man sehr genau, denn um ein Xarnego zu sein, reicht es, wenn ein Elternteil nicht katalanisch ist, selbst wenn der Betreffende in Katalonien geboren wurde, selbst wenn er Katalanisch spricht. Wie sehr sich die meisten Katalanen als exklusive Nation verstehen, wird sich an diesem Wochenende erneut zeigen. Denn bei den vorgezogenen Regionalwahlen wird dem regierenden Ministerpräsidenten Artur Mas von der Convergencia i Unio (CiU) ein haushoher Sieg prognostiziert. Sein Versprechen, ein Unabhängigkeitsreferendum durchzusetzen, steht seinem Auftrieb Pate.

Gezielt wusste Mas die separatistische Stimmung in Katalonien zu schüren und für seine Zwecke einzusetzen. Zuerst demonstrierten am Nationalfeiertag Kataloniens im September Menschenmassen für ein Los von Spanien. Dann lehnte Spaniens konservativer Premierminister Mariano Rajoy einen neuen "Fiskalpakt" und damit eine weitgehende steuerliche Unabhängigkeit für das wirtschaftlich angeschlagen Katalonien ab. Mas, der derzeit mit einer Minderheit regiert, rief daraufhin ohne weiteren Grund Neuwahlen aus und machte diese zu einem Stimmungstest für ein Unabhängigkeitsreferendum. Das Resultat wird wohl eine solide Mehrheit im Parlament von Barcelona sein.

"Katalonien will ein neuer Staat in Europa werden", sagt Artur Mas bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Doch dieses Ansinnen gestaltet sich schwierig bis unmöglich. Zuerst einmal widerspricht es der spanischen Verfassung, wie die Regierung in Madrid versichert. Doch selbst wenn Katalonien das Kunststück gelänge, wäre der Weg in die EU alles andere als vorgegeben.

Barroso: Katalonien würde automatische aus EU fallen

EU-Kommissionspräsident Jose Manel Barroso stellte am Freitag klar, dass eine Region, die sich von einem EU-Mitgliedsstaat trennt, automatisch aufhören würde, Teil der Europäischen Union zu sein. Die Einwohner der betreffenden Region würden ebenfalls sofort den Status als EU-Bürger verlieren, so Barroso weiter. Davon ausgehend, müsste Katalonien nach seiner Unabhängigkeit einen Beitrittsantrag stellen. Dass der durchgeht, wäre wohl auch alles andere als leicht, denn genügend EU-Staaten haben selbst mit separatistischen Tendenzen zu kämpfen und wohl kein Interesse daran, Katalonien zu einem Vorbild werden zu lassen.

Nationalistische Katalanen argumentieren gerne mit der starken Wirtschaftsleistung und damit, dass sich die EU 7,5 Millionen Konsumenten und einen Netto-Zahler nicht einfach entgehen lassen würden. Doch derzeit ist Katalonien alles andere als ein exquisiter Gustohappen: Die Region, die in etwa die Wirtschaftsleistung von Portugal erbringt, sitzt auf einem Schuldenberg von 44 Milliarden Euro. Die Ratingagentur Standard & Poor’s setzte Katalonien auf Ramschstatus und bis zum Jahresende werden mehrere Milliardenkredite fällig, während Banken keine weiteren Darlehen zu bezahlbaren Zinsen gewähren. Das alles zusammen fällt eher unter schwer verdauliche Kost.

Doch das bremst die Euphorie der Separatisten nicht. Zu tief sitzen noch die Wunden aus der Zeit von Diktator Francisco Franco. Während seiner Regentschaft von 1939 bis 1975 war die katalanische Sprache geächtet, viele Ortsnamen wurden ins Spanische übersetzt, Schulunterricht fand bis 1967 ausschließlich auf Spanisch statt. Seit 1978 jedoch genießt die Region Katalonien einen verfassungsmäßig abgesicherten Autonomiestatus.

Allerdings hat sie kein unabhängiges Steuersystem und erhält nur ein Drittel der bei ihr erhobenen Einkommenssteuern. Man müsse die armen Regionen wie Andalusien miterhalten, heißt es auf katalanischer Seite, wo allerdings gerne vergessen wird, dass es Xarnegos aus Südspanien waren, die seinerzeit für billiges Geld das katalanische Wirtschaftswunder mit aufbauten.