
Athen. Griechenland kommt nicht zur Ruhe. Am Mittwoch stand der nächste 24-stündige Generalstreik im Epizentrum der Eurokrise an. Um die Mittagszeit versammelten sich im Zentrum Athens 50.000 Demonstranten. Zum Streik haben die Dachgewerkschaften der Privatangestellten GSEE und der Beamten Adedy aufgerufen. Im Interview erklärt Jannis Panagopoulos, 58, seit 2006 GSEE-Chef, die Gründe.
"Wiener Zeitung":Herr Panagopoulos, Sie hatten gemeinsam mit der griechischen Beamtengewerkschaft für Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen. Wie oft haben Sie schon seit dem Beginn der Griechenland-Krise Anfang 2010 gestreikt oder die Arbeit niedergelegt?
Jannis Panagopoulos: Auf Anhieb kann ich Ihnen das nicht sagen. Ich komme mittlerweile mit dem Zählen nicht mehr nach.
Am Mittwoch wird es das 34. Mal gewesen sein.
Wir protestieren diesmal gegen das Ende von 42 Branchenverträgen, die 400.000 Arbeitnehmer im privaten Sektor betreffen und nicht erneuert werden, ferner die Abschaffung des Nationalen Tarifvertrages und die Reduzierung des Mindestlohnes um 22 Prozent auf jetzt 586 Euro brutto pro Monat. In Griechenland gibt es überdies kein Arbeitsrecht mehr, wie wir es in anderen Ländern Europas kennen.
Was hat sich für den griechischen Arbeitnehmer bis heute verändert?
Die Arbeitslosigkeit ist auf offiziell 27 Prozent gestiegen. In Wahrheit beträgt sie wohl mittlerweile mehr als 30 Prozent. Denn in der Krise grassieren Schwarzarbeit und unversicherte Arbeit. Ferner sind die Arbeitseinkommen drastisch gesunken. Berücksichtigt man die Reduzierung beziehungsweise Streichung des Steuerfreibetrags sowie die Steuererhöhungen für die Arbeitnehmer, dann sind die Arbeitseinkommen im privaten und öffentlichen Sektor um bis zu 50 Prozent eingebrochen.
Können Sie ein repräsentatives Beispiel nennen?
Die Gehälter für Busfahrer sind von 1500 Euro netto pro Monat auf 750 Euro netto gefallen.
Was fordern Sie?
Dass der Mindestlohn wieder auf 751 Euro brutto pro Monat angehoben wird - und das hierzulande wieder das europäische Arbeitsrecht gilt. Trotz der massiven Senkung der Löhne und Gehälter: Griechenlands Wettbewerbsfähigkeit ist nicht wie gewollt gestiegen. Im Gegenteil. Unser Land hinkt sogar einigen afrikanischen Ländern hinterher.