Den Beginn der Gefahrenzone markiert ein Zaun aus Metall. Noch immer auf der 750-Meter-Sohle, geht es Richtung Südflanke. In diesem Teil des Gangsystems soll Wasser zulaufen. Eine Fräsmaschine poliert die Gewölbewände, dröhnt und wirbelt Staub auf, der in den Lungen schmerzt. Rund 50 Meter weiter endet der Gang, hier beginnt das Deckgebirge. Dieser Gang, erklärt Asse-Geschäftsführer Köhler, müsse mit Beton gefüllt werden, damit das Wasser nicht mehr eintreten könne. So schnell wie möglich, fügt er hinzu. Eine Abzweigung führt in einen schmalen Gang. Ein Schild warnt schwarz auf gelb vor Radioaktivität. Hier befindet sich Kammer Acht, in die bereits Wasser eindringt. Fahl schimmernd, wachsen armlange Stalaktiten an der Decke. In einem Bodenloch, unter einem Deckel verborgen, sammelt sich kontaminierte Lauge. Ein Mitarbeiter des Strahlenschutzes hebt die Klappe an, unter der eine bräunlich-bleierne Brühe zu sehen ist. Die Lauge ist mit 18.000 Becquerel belastet, ein 18 Mal höherer Wert als erlaubt. Der Laugenschacht, erklärt Köhler, werde regelmäßig abgepumpt und die verstrahlte Flüssigkeit in Kanister abgefüllt. Doch die Kontrolle über das lecke Bergwerk sei schwierig, denn die Zahl der Zutrittstellen steigt stetig an.
Die 4-Milliarden-Rückholung
2009 prüften Geologen und Atomexperten mehrere Optionen für das marode Bergwerk: Diskutiert wurde eine Verfüllung der Asse mit einer Magnesiumchlorid-Lösung oder festem Material, die Umlagerung der Fässer in tiefere Schichten des Bergwerks oder die Rückholung des Atommülls. Man entschied sich für die Rückholung: Jedes einzelne Fass soll ans Tageslicht gebracht werden, damit unter der Erde kein Schaden mehr entstehen kann.
Das Bundesamt für Strahlenschutz, mittlerweile für den Betrieb und die Stilllegung der Asse verantwortlich, muss gleich zwei Herkules-Aufgaben bewältigen: das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen und die Rückholung durchführen.
Nach ursprünglichen Berechnungen soll es 24 Jahre dauern, bis der Atommüll aus der Asse herausgebuddelt ist. Und die Kosten der Rückholung werden auf vier Milliarden Euro geschätzt.
Werner Nording, Sprecher des BfS, drückt es so aus: "Es ist, als ob man in den Nebel schaut." Sein nächster Satz: "Wir haben keinen Löffel bekommen, um diese Suppe auszulöffeln, sondern eine Gabel."
Für die Bergarbeiter besteht das Problem darin, dass sie an mehreren Fronten arbeiten. Jede einzelne Kammer muss genau erfasst werden: Was ist drin? Wie wurde der Müll eingelagert? Wurde er sorgfältig gestapelt oder einfach abgekippt?
Wohin der Atommüll schließlich kommt, wenn er 2036 dann endlich aus der Asse II geholt ist, weiß niemand. Vielleicht ins Atomlager Konrad oder nach Gorleben? Auch über ein neues Zwischenlager wird spekuliert. Stellt sich in den kommenden Jahren heraus, dass die Rückholung technisch schlichtweg unmöglich ist, wird der Salzstock mit speziellem Beton, Mörtel und einer Magnesium-Chlorid-Lauge verfüllt. Das bedeutet, dass die kontaminierte Lauge längerfristig aus dem Bergwerk heraussickern und das Grundwasser verseuchen könnte.
Es ist stickig in der Asse. Es geht zurück ins Eingangsgewölbe der 750-Meter-Ebene. Wieder fällt die Tür des Förderkorbs ins Schloss. Es geht nach oben, an die frische Luft.