Simferopol. In mehreren Großstädten der Süd- und Ostukraine haben Tausende prorussische Demonstranten ein Referendum wie auf der Krim verlangt. Im östlichsten Verwaltungsgebiet Lugansk stürmten am Sonntag Aktivisten den Sitz der Regionalregierung und erklärten den Gouverneur für abgesetzt. Demonstranten seien in Bussen aus Russland über die nahe Grenze zu der Kundgebung gefahren, berichteten örtliche Medien.
Eine Woche vor dem geplanten Referendum über einen Anschluss der Krim an Russland verschärft sich der Konflikt zwischen Moskau und Kiew. Die Regierung der Ukraine drehte der moskautreuen Führung der Krim den Geldhahn zu. Russland stellte jedoch umgehend umfangreiche Finanzhilfen für die Krim in Aussicht.
Obama droht weiterhin mit Sanktionen
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) kündigte am Sonntag zum Auftakt seines Besuchs in Kiew an, dass der Europarat der ukrainischen Interimsführung bei der Umsetzung notwendiger Reformen helfen werde. Kurz, der auch den Maidan, das Zentrum der ukrainischen Protestbewegung, besuchte, hält sich in seiner Funktion als amtierender Vorsitzender des Europarates in der Ukraine auf.
US-Präsident Barack Obama drohte Russland indes mit weiteren Sanktionen, sollte Moskau in der Krise nicht einlenken. Mitten in der Krim-Krise trifft der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am 12. März in Washington mit Obama zusammen. Die USA und die EU hatten vor einigen Tagen erste Sanktionen gegen Russland beschlossen. Sollte Moskau im diplomatischen Konflikt um die Krim nicht einlenken, will die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen. Im Extremfall will Brüssel auch wirtschaftliche Sanktionen beschließen.
Krim-Vizeregierungschef Rustam Temirgalijew sagte am Sonntag in Simferopol, wegen einer Sperrung der Bankkonten könne das Autonome Gebiet laufende Geschäfte nicht mehr finanzieren. Die Führung habe sich bereits an Moskau gewandt, um bei russischen Banken Konten zu eröffnen. Die Halbinsel werde sowieso die russische Währung Rubel einführen, sollte die Mehrheit der Krim-Bevölkerung am 16. März für einen Beitritt zu Russland stimmen, sagte Temirgalijew. Moskau wolle der Krim für Infrastrukturmaßnahmen 1,1 Milliarden Dollar (790 Millionen Euro) zur Verfügung stellen, sagte der Vizevorsitzende des Industrieausschusses im Parlament in Moskau, Pawel Dorochin, laut der Nachrichtenagentur Interfax.
Die Bewohner der Halbinsel sollen in einem Referendum am nächsten Sonntag darüber entscheiden, ob sich die Krim der Russischen Föderation anschließt. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Halbinsel vor etwa einer Woche völkerrechtswidrig unter Kontrolle gebracht zu haben. Am Montag werden die Außenminister der Benelux-Staaten Belgien, Niederlande und Luxemburg in Kiew erwartet.
In Donezk, der Heimat des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, verlangten etwa 1.500 Demonstranten unter russischen Fahnen die Loslösung von Kiew, wie die Agentur Itar-Tass berichtete. Auch in Odessa forderten einige Tausend Demonstranten mehr Rechte für die Regionen und ein Referendum über den außenpolitischen Kurs des Landes. Im ostukrainischen Charkow, der zweitgrößten Stadt des Landes, demonstrierten dagegen etwa 10.000 Menschen mit einer riesigen ukrainischen Fahne für die Einheit des Landes.
In der Hauptstadt Kiew sprach der Ende Dezember aus langjähriger russischer Lagerhaft entlassene frühere Ölmagnat Michail Chodorkowski vor einer proeuropäischen Menschenmenge auf dem Unabhängigkeitsplatz: Das brutale Vorgehen der ukrainischen Regierung unter dem entmachteten Staatschef Viktor Janukowitsch gegen die Demonstranten auf dem Maidan sei "mit Billigung der russischen Führung" erfolgt. "Das ist erschreckend. Das ist nicht meine Führung", sagte der 50-Jährige. Es gebe aber auch ein "anderes Russland", sagte Chodorkowski.
Die neue politische Führung der Krim will den Beitritt zu Russland schnell unter Dach und Fach bringen. "Der Übergangsprozess in eine neue Rechtsprechung ist kompliziert. Aber wir gehen davon aus, dass alles noch im März gelingt", sagte der Vorsitzende des prorussischen Regionalparlaments, Wladimir Konstantinow, am Samstag.