Wien/Barcelona. (dab) Das Ziel stand seit langem fest, nun gibt es auch einen Zeitrahmen: Innerhalb von 18 Monaten will sich die nordöstliche Region Katalonien von Spanien lossagen. Das Parlament Kataloniens verabschiedete am Montag eine entsprechende Resolution, die den offiziellen, feierlichen Beginn der Schaffung eines unabhängigen Staates symbolisieren soll. Eine eigene Finanzhoheit für Katalonien soll bereits in einem Monat ausgearbeitet sein. Die Verabschiedung der Resolution war möglich geworden, nachdem separatistische Kräfte in Katalonien bei den Regionalwahlen im September 2015 die Mehrheit der Sitze im Parlament erobert hatten.

Die Resolution werde "ohne Konsequenzen" bleiben, sagte der spanische Regierungschef Mariano Rajoy am Montag. Er kündigte nach der Abstimmung an, am Dienstag eine Verfassungsklage gegen die Pläne des katalanischen Parlaments zu erheben. Mit Einbringung der Klage wird die Resolution bis zum Urteil des Verfassungsgerichts automatisch außer Kraft gesetzt. Der Konflikt zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und der katalanischen Regierung in Barcelona wird damit verstärkt auf juristischer Ebene ausgetragen werden.

"Eine Abspaltung Kataloniens wäre völkerrechtlich eine Sezession", sagt Stephan Wittich, Professor für Völkerrecht an der Universität Wien, zur "Wiener Zeitung". Dieser Fall sei nicht klar geregelt - jüngere Beispiele für Sezessionen wären aber etwa die Abspaltungen des Kosovo und des Südsudan. Katalonien wäre völkerrechtlich jedenfalls dann als Staat zu qualifizieren, wenn es die drei für die Staatlichkeit notwendigen Voraussetzungen - Staatsgebiet, Staatsvolk und effektive Staatsgewalt - erfülle. Die Frage sei allerdings, von welchen anderen Ländern Katalonien als eigenständiger Staat in der Praxis dann anerkannt werde, so Wittich.

Ein weiteres Problem sei, dass es keinen Automatismus für die Nachfolge in internationale, zwischenstaatliche Organisationen - wie etwa die EU und die UN - für Katalonien geben. Die Regierung in Katalonien müsste vielmehr ein Ansuchen um Aufnahme in diese Organisationen stellen. Damit verbunden wären auch wirtschaftliche Fragen zu bedenken. In der Währungsunion könnte Katalonien vermutlich nicht bleiben - das Land "müsste wohl eine eigene Währung einführen", sagt Wittich.

Die spanische Regierung in Madrid argumentiert, dass die katalanische Resolution von Montag die verfassungsrechtliche Grundordnung Spaniens betroffen habe. Über Änderungen dieser Grundordnung müsse aber das spanische Volk in einer Volksabstimmung abstimmen - und nur die spanische Regierung könne solche Abstimmungen anordnen. Zudem sei in Artikel zwei der spanischen Verfassung die unauflösbare Einheit der spanischen Nation verankert.

Die katalanische Regierung will sich von derlei juristischen Problemen nicht von ihren Plänen abbringen lassen. In der verabschiedeten Resolution wird offen der Ungehorsam gegenüber Spanien erklärt. Die Unabhängigkeitsbestrebung Kataloniens werde sich nicht den spanischen Institutionen, wie insbesondere dem Verfassungsgericht, unterordnen, heißt es im Text.

Madrid droht mit Zivilgarde


Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht: Sollte sich die Regionalregierung tatsächlich den Anordnungen des Verfassungsgerichts widersetzen, plant die spanische Regierung weitreichende Schritte: So soll die katalanische Regionalpolizei unter die direkte Kontrolle der Zentralregierung gestellt werden und Katalonien der Finanzhahn abdreht werden. Das berichtete die spanische Zeitung "El Mundo" am Montag.

Der spanische Innenminister Jorge Fernandez Diaz drohte vergangene Woche sogar mit dem Einsatz der paramilitärischen Polizeieinheit Guardia Civil. Zwar wolle man auf juristische Mittel setzen und die Zivilgarde nicht durch Barcelona "defilieren lassen" - die Sicherheitskräfte seien aber einsatzbereit.

Katalonien ist die wirtschaftsstärkste Region Spaniens. Befürworter der Unabhängigkeit argumentieren, dass Katalonien als eigener Staat wirtschaftlich besser dastehen würde. Zudem besitzen die Katalanen eine eigene Sprache und Kultur. Doch erst durch die die Wirtschaftskrise wurden die separatistischen Bestrebungen, die vorher hauptsächlich von Randgruppen vertreten wurden, zur Massenbewegung. An der Börse sorgte das katalonische Votum am Montag für Verunsicherung: Die Rendite für zehnjährige spanische Anleihen kletterten auf ein Sechs-Wochen-Hoch von 1,999 Prozent.