Macht es Ihnen nicht Sorgen, dass Fidesz oft Forderungen von Jobbik umgesetzt hat? Zum Beispiel den Grenzzaun gegen Flüchtlinge.

Jobbik hat eine effiziente Grenzpolizei verlangt, nicht den Grenzzaun. Jetzt stützt sich die Fidesz-Demagogie einzig auf das Migrantenproblem - dabei hat Orbáns Regierung über das Staatsanleihen-Programm zehntausende Ausländer hereingelassen.

Sie meinen die Chinesen, Russen und Araber, die von Ungarn Aufenthaltsgenehmigungen und Schengen-Visa bekommen haben, wenn sie für 300.000 Euro ungarische Staatsanleihen kaufen.

Ja. Und das war nicht die Idee von Jobbik, sondern Fidesz hat das gemacht. Dadurch sind wirklich gefährliche Leute nach Ungarn gekommen.

Anscheinend will auch keine der Oppositionsparteien diesen Grenzzaun abreißen lassen.

Richtig, keine Partei will das. Migration ist ein großes Problem, das man aber rational behandeln muss. Flüchtlinge soll man aufnehmen, das ist humanitär. Aber Gastfreundschaft bedeutet kein permanentes Aufenthaltsrecht.

Es gibt Planspiele zum Vorgehen im Fall einer Wahlniederlage Orbáns. Die Rede ist davon, dass die vereinigten Wahlsieger schnell das Wahlrecht ändern und dann sofort Neuwahlen in die Wege leiten. Was halten Sie von dieser Idee?

Das wäre sehr richtig. Gleich nach der Wahl sollte es in diesem Fall eine Übergangsregierung geben von Jobbik und Sozialisten, mit einem parteilosen Ministerpräsidenten, am besten Márki-Zay.

Aber selbst wenn Orbán die Wahl verliert, wird es nicht schwer, seinen Einfluss aufzubrechen? Seine Leute sitzen doch in allen wichtigen Verwaltungspositionen und in der Presse.

Die Presse umzukrempeln ist leicht. Die Ungarn sind doch Opportunisten. Wenn sich die Regierung verändert, ändert sich auch die Presse. Das Problem wird eher der große Reichtum sein, den die Fidesz-Unterstützer wie der Oligarch Lőrincz Mészáros angesammelt haben. Den kann man ihnen nicht wegnehmen, denn es ist Privateigentum.

Käme Jobbik für Orbán als Koalitionspartner in Frage, falls Fidesz die absolute Mehrheit verliert?

Jobbik würde das nie tun. Keine Partei würde mit Fidesz koalieren.

Information: Ungarns Wahlsystem

199 Sitze werden für das Parlament vergeben. Doch nur 93 gehen aus den nationalen Parteilisten hervor. 106 Mandate werden direkt vergeben. Hierbei gilt: Der Kandidat mit den meisten Stimmen in einem Wahlkreis gewinnt den Parlamentssitz, es gibt keine Stichwahl.

Daher müsste die Opposition Geschlossenheit zeigen und sich jeweils auf den aussichtsreichsten Kandidaten in diesen Einzelwahlkreisen einigen, um die Fidesz-Kandidaten zu bezwingen. Doch das ist nach wie vor ein unsicheres Szenario. Vor allem wird der Rückzug eigener Kandidaten zugunsten der Rechtspartei Jobbik abgelehnt. Laut Jobbik-Chef Gabor Vona wäre wiederum der Schlüssel für den Regierungswechsel nicht das Zurückziehen von Kandidaten, sondern eine Wahlbeteiligung von über 70 Prozent.

Den sicheren Einzug ins Parlament sprechen Umfragen außer Fidesz und Jobbik auch dem linken Bündnis MSZP-Parbeszed zu. Ob die bürgerlich-grüne LMP und linke DK über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, ist unsicher.