Wien. Österreichs Jugend besitzt einen traditionellen Kulturbegriff. Was aber nicht heißt, dass klassische Musik oder Theater von den Jugendlichen als interessant oder cool empfunden werden. Eher im Gegenteil.

Zu diesem Ergebnis kommt die neueste Studie des Wiener Trendforschungsinstituts "tfactory". Sie hat junge Menschen im Alter von 11 bis 39 Jahren nach ihrem Kulturbegriff und kulturellen Interessen befragt. In Sachen "Kultur" unter die Top 10 geschafft haben es neben der klassischen Musik, der Kunst und dem Theater auch Nennungen wie Tradition, Museen, Religion, Geschichte oder die Oper. Allein von hohem Interesse sind diese Ausdrucksformen österreichischer Kultur für die meisten Befragten nicht, wie Studienleiter Michael Schäfberger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erklärt. Demnach geben bis zu 95 Prozent der Jugendlichen an, in ihrem Leben noch nie eine Oper, oder ein Ballett gesehen zu haben. Ein Theaterstück will nur jeder Vierte, ein Museum jeder Zweite besucht haben.

Weitaus interessanter finden die Jugendlichen Filme und Kabaretts (85 beziehungsweise 70 Prozent). Aber auch für bestimmte Ausstellungen und Musicalproduktionen lassen sich zwei Drittel der jungen Menschen begeistern. Bemerkenswert ist dennoch, dass bei letzteren Kulturangeboten der Anteil der weiblichen Fans überwiegt: Während die Lust am Filmschauen oder Lachen bei beiden Geschlechtern nach wie vor ungebrochen ist, hält sich das Interesse an Lesungen, Theater- und Musicalbesuchen bei den Burschen in Grenzen. Ein Großteil der Herren gibt sogar offen zu, eher unfreiwillig von den Eltern, der Lehrerin oder der Freundin in Tschaikowskis "Schwanensee" oder Andrew Lloyd Webbers Revue "Cats" geschleppt worden zu sein.

Für Schäfberger kommt das alles nicht überraschend. "Wir müssen uns die Frage stellen, wie der Jugend diese Art von Kultur heute zugetragen wird. Für die meisten jungen Menschen ist die Oper ein altes Haus, wo sich alte Leute alte Sachen anschauen", meint der Experte und ergänzt: "Für viele ist das etwas, das einem exklusiven Kreis von Erwachsenen quasi gehört und wo es halt für Jugendliche keinen Zugang gibt."

Fitness statt Snowboard

Allerdings ist es umgekehrt nicht anders. So wie es bestimmte kulturelle Bereiche gibt, die eher für ältere Menschen interessant sind, so existiert auch im jugendkulturellen Milieu ein eigener Kulturcode, der wiederum für Erwachsene tabu ist. Schäfberger: "Da geht es um moderne Musik, aber auch sehr viel um Lifestyle und Sport."

Wobei auch hier Diskrepanzen zwischen dem, was die Befragten in ihrer Wahrnehmung für "angesagt" empfinden und dem, was in der Szene tatsächlich auch öffentlich gepflegt wird, bestehen. Zum Beispiel im Sport: Glaubt man den Daten, so finden nach wie vor etwa zwei Drittel der 11- bis 39-Jährigen, dass Snowboarden die beliebteste Sportart - noch vor Fußball, Beachvolleyball und Fitness - unter den Jugendlichen sei. Allein die Wirklichkeit sieht anders aus: Fragt man nach der Szenenzugehörigkeit, so fühlen sich heute die meisten jungen Menschen im Fitnessclub und am Fußballrasen und nicht am Beachvolleyballplatz oder auf der Piste zu Hause.

Warum? Glaubt man Schäfberger, dürften einmal mehr die Erwachsenen die Schuld an diesem Phänomen tragen. Konkret ausgedrückt: Auch ältere Menschen haben den Snowboardsport für sich entdeckt und damit einen jugendlichen Lifestyle zu einem Massensport gemacht. "Das war beim Inlineskaten auch nicht anders", erklärt der Jugendforscher. Was früher den Jugendlichen vorbehalten war, nämlich mit Rollschuhen die Donauinsel rauf und runter zu düsen, sei dann in den 90er Jahren von den Erwachsenen kopiert und schließlich übernommen worden. "Die Jugendlichen hatten das Gefühl, dass ihnen das Inlineskaten von den Älteren quasi weggenommen wurde - und damit verloren sie auch jedes Interesse", schließt Schäfberger.

Ein Blick in die Statistik bestätigt den Trend. Bei den angesagten Sportarten kommt Inlineskaten als Kategorie gar nicht vor. Eine kleine Szene mit einem Anteil von fünf Prozent gibt es noch. Sie rangiert auf dem letzten Platz.