Sudarshan Shetty versetzt uns in die Reiszeit. Deine Körner sind gezählt. (Die Einheit der Zeit ist ja das Reiskorn.) - © Galerie Krinzinger
Sudarshan Shetty versetzt uns in die Reiszeit. Deine Körner sind gezählt. (Die Einheit der Zeit ist ja das Reiskorn.) - © Galerie Krinzinger

(cai) "Kunst oder Leben." (Okay, dann verzicht ich halt auf die Kunst. So nötig hab ich die auch wieder nicht.) Das heurige Thema der Reihe "curated by_", wo sich Galerien mit Kuratoren zusammentun, klingt ja wie eine Drohung. Wie: "Hände hoch, oder ich male!" Und die Galerie Krinzinger ist offenbar in Trauer. Es werden sogar Tränen vergossen. Na ja, symbolisch. Ein Wasserstrahl stürzt sich elegisch zu Boden. In einem märchenhaften Kenotaph.

Achtung: Bei besonders mitfühlenden Personen fängt die Blase auch gleich zu weinen an! Und wer ist gestorben? Etwa wieder die Malerei? Oder beklagt der Inder Sudarshan Shetty, der die Räume ganz allein bewältigt, die höhere Sterblichkeitsrate bei Künstlern (weil: Kunst oder Leben)? Ist der Kenotaph ein Denkmal für den anonymen toten Künstler? Nein, ich glaub’, da geht’s um die Vergänglichkeit an sich. Bei der Einmal-Sanduhr sowieso. Eigentlich eine Reisuhr. Und sie kann eben nur ein einziges Mal. Oben soll am Anfang ungefähr eine Tonne Reis draufgelegen sein. Aha, ungefähr. Also vielleicht exakt tausendundein Kilo? Und wenn der Reis durchgelaufen ist, ist die Ausstellung aus? Hm. Dann wird sie ewig dauern. Die Uhr ist nämlich stehengeblieben. Die Zeit wird nimmer mit Reis gefüttert. Die muss elendiglich verhungern.

- © Yantra - Fotolia
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Der Titel der Schau (kuratiert hat Katya García-Antón) ist ebenfalls so . . . endgültig: "The Pieces Earth Took Away." Took - past tense. Trotzdem gibt’s Hoffnung. Shetty, der mit seinen ruhigen, einfachen Gesten und eingängigen Metaphern die Zeit verlangsamt (ich hab mir seine Sachen sogar in Zeitlupe angeschaut), hat immerhin einen zerbrochenen Krug geheilt. Mit einem Kleber. (He, hat uns denselben Trost nicht auch der Terminator gespendet? - "I’ll be back!") Überaus stimmig.

Galerie Krinzinger
(Seilerstätte 16)
Sudarshan Shetty, bis 20. Oktober
Di. - Fr.: 12 - 18 Uhr
Sa.: 11 - 16 Uhr

Ein Quadrat hat fast fünf Seiten

(cai) Die Bilder in der Galerie Lindner hängen alle irgendwie schief. Aber nicht einmal der zwanghafteste Neurotiker kann sie geraderücken. (Und so einer hat immerhin Augen wie Wasserwaagen. Statt einer Pupille hat der eine Luftblase.) Tja, eine gemalte Fliege kann auch keiner verscheuchen. Nein, echt sind die Gemälde schon. Es liegt an ihrem speziellen quadratischen Format. Diese Quadrate haben vier verschieden lange Seiten. (Na ja, besser als fünf verschieden lange Seiten.) Warum sind das trotzdem noch Quadrate? Weil wir mit den Augen schauen, doch sehen tun wir mit dem Hirn.

Und der Hans Jörg Glattfelder nutzt das schamlos aus. Legt uns mit perspektivisch verzerrten Vierecken rein, mit illusionistischen Rastern und Mustern. Bringt die Bilder zum Schweben. Gut, das Alienraumschiff in "Prometheus - Dunkle Zeichen" hat geilere 3D-Effekte. Die unregelmäßigen Deltoide sind aber ebenfalls Science-Fiction. (Deltoide? Hört sich nach einer unheimlichen Begegnung der viereckigen Art an.) Ein vierdimensionales Raum-Zeit-Kontinuum kommt auf einen zu. Okay, eher eine fliegende Serviette. Wow, die flattert sogar! Von den Titeln krieg ich freilich sicher Alpträume. "Kleine Hell-Dunkel-Permutation, RGSB." Ich bin wieder in der Schule. "So, Claudia, wie viele Möglichkeiten hätt’ der Künstler g’habt, die süßen roten, gelben, schwarzen und blauen Quadrate anders anzuordnen?" - "Ähm: 4! x 4! x 4! x 4! - 1?" (Sprich: vier Fakultät mal vier Fakultät mal vier Fakultät mal vier Fakultät minus eins.) Und dann wach ich hoffentlich auf.

Galerie Lindner
(Schmalzhofgasse 13/3)
"Räumliche Metaphern"
Bis 25. Oktober
Di. - Fr.: 14 - 18 Uhr