Wer in Wien Gebäck sucht, wird schnell fündig. Bäckerei-Ketten prägen schon seit einigen Jahren das Stadtbild. War einst nur Anker flächendeckend vertreten, so ist die Konkurrenz deutlich größer geworden. Ströck, Felber und Mann haben sich ihren Teil vom Kuchen gesichert. Während für die Großbäcker Wien ein goldener Boden zu sein scheint (die Probleme von Anker und Schrammel sprechen da allerdings eine andere Sprache), haben es die kleinen schwer. Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben etliche Traditionsbäcker geschlossen, zuletzt auch der Demeter-Bäcker Kaschik (und damit ist auch der famose Kornspitz passe).
Wer verzweifelt nach gutem Gebäck Ausschau hält, darf sich aber über die neueste Entwicklung freuen. Bäcker von nah und fern haben die Lücken zum Teil geschlossen. Der Oberösterreicher Gragger in der Spiegelgasse, Joseph Brot aus dem Waldviertel in der Naglergasse, Waren von der niederösterreichischen Bäckerin Denise beim Böhle in der Wollzeile und – schon seit langem, aber immer erwähnenswert, die Produkte vom Waldviertler Kasses beim Meinl. Für den Brotgenießer heißt es aber nun eine neue Sprache zu lernen. Kornspitz, Salzstangerl, Mohnweckerl und Vinschgerl sind da zu wenig. Flûte, Flösserl und Ciabatta sollte man in seinem Wortschatz aufnehmen. Und auch der Geschmack wird gefordert, sich an neue Verbindungen zu gewöhnen: Haselnüsse, Rosmarin, Fenchelsamen, Oliven, getrocknete Marillen, Tomaten oder Cranberrys werden mit verschiedensten Mehlsorten kombiniert.
Das größte Aha-Erlebnis hat man, wenn man eine Semmel zwei Tage nach dem Einkauf verzehrt. Das Gebäck ist zwar deutlich fester und trockener, doch noch immer essenswert. Und wenn man die Semmel gleich verspeist, was ja nicht verkehrt ist, dann ist das Gefühl der Sättigung eine freudige Überraschung - genauso wie der große Kundenandrang in den Geschäften. Brot ist in Wien wieder in – wer hätte sich das gedacht.