Nach dem Brand im Lager Moria hat die griechische Polizei am Donnerstag hunderte obdachlose Flüchtlinge zu dem umstrittenen, neuen Übergangslager auf der Insel Lesbos gebracht. Am Vormittag standen bereits einige hundert Menschen Schlange vor dem neuen Camp. Bisher seien rund 1000 Flüchtlinge in das neue Lager verlegt worden, sagte Zivilschutzminister Michalis Chrysochoidis.

Polizisten waren ab Donnerstagfrüh auf den Straßen von Lesbos von Schlafplatz zu Schlafplatz gegangen, um die dort campierenden, obdachlosen Menschen zu wecken und sie in das nach dem Brand in Moria eilig errichtete Notcamp zu bringen. Dort sollen alle auch einen Corona-Test machen. Insgesamt befinden sich nach Angaben des Migrationsministeriums bereits 2800 Migranten in dem neuen Camp - inklusive jener, die in den vergangenen Tagen freiwillig dorthin umgezogen waren. Viele Flüchtlinge weigern sich jedoch, in das Camp zu gehen, weil sie fürchten, dort erneut monatelang festzusitzen.

Seit den Bränden im Lager Moria in der vergangenen Woche schlafen tausende Flüchtlinge auf Lesbos am Straßenrand und auf Supermarktplätzen unter notdürftig errichteten Schutzdächern aus Zweigen oder in Campingzelten.

Kein Zugang für Ärzte ohne Grenzen

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete, ihren Mitarbeitern sei in der Nacht der Zugang zu den Migranten verwehrt worden. "Ein Polizeieinsatz ist im Gange, um die Flüchtlinge ins neue Lager zu bringen. Das sollte aber nicht medizinische Hilfe verhindern", kritisierte die Organisation auf Twitter. Am Morgen durfte die Notfallklinik, die die Organisation in der Gegend eingerichtet hat, wieder öffnen.

Die griechischen Behörden und die UNO bauen seit Samstag ein neues Lager, in dem nach ihren Angaben die Asylverfahren für die Migranten wieder aufgenommen werden sollen. Auf dem Gelände wurden 1000 Zelte errichtet, die jeweils Platz für acht bis zehn Personen bieten. Medizinische Versorgungsstationen sollen noch hinzukommen, zudem sind zwei Quarantänezonen geplant.

Viele Einwohner von Lesbos wehren sich auch gegen das neue Lager und fordern, dass die Flüchtlinge nach den jahrelangen, katstrophalen Zuständen im Lager Moria nun andernorts untergebracht werden müssten. Zivilschutzminister Chrysochoidis rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Flüchtlinge bis spätestens Ostern die Insel verlassen können.

EU-Parlament: Keine weiterne Morias

Das Europaparlament macht in Hinblick auf die seit Jahren blockierte Asylreform Druck auf die EU-Staaten. Nach der Brandkatastrophe im griechischen Flüchtlingslager Moria forderten die Abgeordneten am Donnerstag, dass sich die Länder endlich auf eine langfristige Lösung einigen müssten. EU-Innenkommissarin Ylva Johansson betonte, Situationen wie in Moria dürften sich nicht wiederholen.

"Keine weiteren Morias!", forderte sie. Dies sei eines der Ziele der neuen Migrations- und Asylpolitik, für die die EU-Kommission am Mittwoch einen neuen Vorschlag vorlegen werde, sagte Johansson. "Wir sollten nicht akzeptieren, dass Menschen unter diesen Bedingungen leben." Die EU-Abgeordneten forderten mehr langfristige Hilfe für Griechenland. Es könne nicht nur "Ad-hoc-Solidarität" nach dem Brand in Moria geben, sagte Roberta Metsola aus der christdemokratischen EVP-Fraktion. Nach Angaben der EU-Kommission hat Griechenland zur Bewältigung der Migration seit 2015 bereits mehr als 2,6 Milliarden Euro erhalten.

Große Bestürzung

 Der Großteil der Parlamentarier zeigte sich bestürzt und entrüstet über die Situation auf Lesbos sowie den anderen griechischen Inseln. Sie kritisierten außerdem, dass zur Debatte kein Vertreter der EU-Staaten im Plenum war. Normalerweise beteiligt sich stets die EU-Ratspräsidentschaft an den Debatten - derzeit hat Deutschland den Vorsitz der EU-Staaten inne.

 Im Mittelmeer, wo Hilfsorganisationen zufolge regelmäßig in Seenot geratene Migranten ertrinken, gingen auch das europäische Projekt und die Würde unter, sagte die Vorsitzende der Sozialdemokraten, Iratxe García Pérez. Die Liberale Sophia In 't Veld sagte, Moria sei kein Politikversagen, sondern Politik mit dem Ziel der Abschreckung. Terry Reintke (Grüne) trug Worte eines afghanischen Mannes aus Moria vor. Diese schilderten die unwürdige Situation vor Ort. "Würden Sie hier mit ihren Lieben auf dem Boden schlafen?"

"Die Menschen aus Moria müssen sofort evakuiert werden. Auch Österreich kann und soll schutzsuchende Menschen aufnehmen", verlangte die grüne Delegationsleiterin Monika Vana. Ein "Totalversagen wie in Moria darf sich nicht wiederholen", forderte die SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath. "Ich schäme mich für Österreich - wo Konservative mit Grünen regieren - für die Weigerung auch nur Kinder aufzunehmen", sagte die NEOS-Europaabgeordnete Claudia Gamon. Der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl verwies hingegen darauf, dass Österreich seit der Migrationskrise von 2015 pro Kopf doppelt so viele Kinder aufgenommen habe wie Deutschland und auf Platz zwei in der EU liege. (apa, afp)