Nach der mutmaßlich terroristisch motivierten Ermordung des Geschichtelehrers Samuel Paty in Conflans-Sainte-Honorine, einem Vorort von Paris, am Freitag hat die Staatsanwaltschaft in Frankreich weitere Details über die Tat bekannt geben. Der mutmaßliche Täter sei 2002 in Moskau geboren worden und tschetschenischer Abstammung, sagte Staatsanwalt Jean-François Ricard am Samstag. Er habe seit dem Frühjahr einen Flüchtlingsstatus in Frankreich und sei bisher geheimdienstlich nicht aufgefallen. Er wurde demnach von der Polizei kurz nach der Tat erschossen.
Der Mann war mit einem Messer und einer Softair-Pistole bewaffnet - in der Nähe des Tatorts fand die Polizei außerdem ein rund 30 Zentimeter langes blutverschmiertes Messer. Das 47-jährige Opfer hatte zahlreiche Wunden am Oberkörper und Kopf und wurde enthauptet aufgefunden, wie Ricard sagte. Er sei gerade auf dem Weg nach Hause von der Schule gewesen. Der Täter habe ihm aufgelauert.
Vor Attentat Drohungen gegen Lehrer und Schule
Der Staatsanwalt führte aus, dass dem Angriff bereits Drohungen gegen den Lehrer und die Schule vorausgegangen waren. Der Lehrer hatte Anfang Oktober im Rahmen der Debatte über Meinungsfreiheit und die Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen der Satirezeitung "Charlie Hebdo" im Unterricht entsprechende Zeichnungen gezeigt. Daraufhin veröffentlichte ein Vater Posts in sozialen Netzwerken, beschwerte sich bei der Schulleitung und machte gegen den Lehrer mobil.
Der mutmaßliche Täter postete nach der Tat ein Foto des gestorbenen Opfers im Netz. "Im Namen Allahs, des Gnädigsten, des Barmherzigen ... an Macron, den Anführer der Ungläubigen, ich habe einen Ihrer Höllenhunde hingerichtet, der es wagte, Mohammed zu erniedrigen, zitierte der Staatsanwalt den Tweet. Die Botschaft sei auf einem Mobiltelefon entdeckt worden, das in der Nähe der Leiche des Attentäters lag, sagte Ricard. Der Twitter-Account habe dem 18-Jährigen gehört. Twitter teilte mit, der Beitrag sei rasch entfernt, der Account sei gesperrt worden.
Neun Menschen sind in Polizeigewahrsam genommen worden. Die ersten vier Festgenommenen, darunter ein Minderjähriger, seien aus dem Familienkreis des Angreifers, der von Polizisten getötet worden war, hieß es in der Nacht auf Samstag aus Justizkreisen. Unter den fünf weiteren in Gewahrsam Genommenen sind Eltern von Schülern der Schule, an der das Opfer arbeitete. Außerdem wurden Menschen aus dem nicht familiären Umfeld des mutmaßlichen Angreifers festgenommen.Laut Macron "eindeutig" islamistischer Terroranschlag
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sagte, es handle sich "eindeutig" um einen "islamistischen Terroranschlag". Bei einer kurzen Rede vor der Schule, an der der Geschichtelehrer unterrichtet hatte, sagte Präsident Macron: "Sie werden nicht durchkommen. Sie werden uns nicht spalten." Der Lehrer sei ermordet worden, weil er seinen Schülern "Meinungsfreiheit und die Freiheit zu glauben und nicht zu glauben" beigebracht hatte. Macron versicherte, dass die Nation gegen "Aufklärungsfeindlichkeit" und die damit einhergehende Gewalt zusammenstehen werde, um alle Lehrer "zu schützen und zu verteidigen".
Die Anti-Terror-Staatsanwaltschaft ermittelt den Angaben zufolge wegen "Mordes in Verbindung mit einem terroristischen Unternehmen" und wegen einer "kriminellen terroristischen Vereinigung".
"Gefühl des Schreckens und der Empörung" bei "Charlie Hebdo"
Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sicherte in der Nacht auf Samstag Frankreich volle Solidarität zu. Er verurteile den "barbarischen islamistischen Terrorangriff" aufs Schärfste, so Kurz auf Twitter. Sein aufrichtiges Beileid gelte den Angehörigen des Opfers. "Wir werden uns dadurch nicht einschüchtern lassen und unser europäisches Lebensmodell weiterhin verteidigen", betonte der Bundeskanzler.
Bereits im September hatte es wegen der erneuten Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen in der Satirezeitung "Charlie Hebdo" einen Messerangriff mit zwei Verletzten in Paris gegeben. Bei dem geständigen Täter handelt es sich um einen 25-jährigen Pakistaner, der aus "Wut" über die Darstellung des Propheten gehandelt haben will.
Die Satirezeitung äußerte nach der Tat am Freitag beim Onlinedienst Twitter ein "Gefühl des Schreckens und der Empörung". Die Intoleranz habe "gerade eine neue Schwelle überschritten". Im Jänner 2015 hatten Islamisten wegen der Karikaturen einen Anschlag auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion in Paris verübt und dabei zwölf Menschen getötet.
"Ich bin Lehrer"
Zahlreiche Menschen gingen am Samstag im ganzen Land aus Solidarität mit dem Getöteten auf die Straße. Einige hielten Schilder mit der Aufschrift "Ich bin Lehrer" hoch, in Anlehnung an "Ich bin Charlie" als Reaktion auf das Massaker in der Redaktion der Zeitschrift. (apa, reu)