Brüssel/Bern. (hes/reu) Überhöhten Gagen und Abfindungen für Manager wird der Kampf angesagt - nicht nur in der Schweiz. Am Wochenende hatten, wie berichtet, fast 68 Prozent der Eidgenossen für eine "Volksinitiative gegen die Abzockerei" gestimmt, die der Abgeordnete Thomas Minder gestartet hatte.
Das Thema fällt auf fruchtbaren Boden. Europaweit nehme das "Momentum für mehr Regulierung und Transparenz" zu, sagte ein Sprecher der EU-Kommission am Montag. In Brüssel laufen derzeit Auswirkungsstudien - noch vor Ende des Jahres will die Kommission Vorschläge für die Überarbeitung der Richtlinie über Aktionärsrechte aus dem Jahr 2007 machen. In einem Punkt decken sich diese EU-Pläne mit der "Minder-Initiative": Die Aktionäre eines börsenotierten Unternehmens sollen jedes Jahr in der Hauptversammlung verbindlich über die Vergütung der Führungsetage abstimmen. Damit will die Kommission erreichen, dass Aktieninhaber sich stärker als Eigentümervertreter engagieren und für den langfristigen Erfolg des Unternehmens interessieren. Dazu soll unter anderem das Abstimmungsverhalten von institutionellen Investoren transparenter werden, wünscht sich Brüssel. Bisher war der Beschluss der Managergagen Sache der Aufsichtsorgane, der Verwaltungs- oder Aufsichtsräte.
Der Schweizer Vorstoß geht noch einige Schritte weiter: Dort werden spezielle Antritts- und Abgangszahlungen (Golden Handshakes) generell verboten. Bei Verstößen drohen Managern Geldbußen und Freiheitsstrafen. Ein vom Schweizer Parlament erarbeiteter Gegenvorschlag, der ähnliche Ziele verfolgte, den Unternehmen aber mehr Spielraum ließ, wurde durch die Annahme der Volksinitiative hinfällig.
Deutschland: FDP und SPD sind für strengere Gesetze
Das sei ein "negatives Signal für den Wirtschaftsstandort Schweiz" bedauert der liberale Dachverband Economiesuisse. Mit einer Plakatekampagne wollte die Wirtschaftslobby Stimmung gegen die "Minder-Initiative" und für einen Gegenvorschlag des Parlaments machen. Ohne Erfolg: Der Dammbruch kam mit der geplanten 72-Millionen-Franken-Abgangszahlung (etwa 59 Millionen Euro) für Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella. Diesem sollte so ein mehrjähriges Konkurrenzverbot abgegolten werden; er verzichtete schließlich von sich aus. Da hatte die "Abzocker-Initiative" bereits plakativ mit der Rangliste der Schweizer Topverdiener geworben: 2011 erhielt Vasella demnach fast 9,9 Millionen Euro, gefolgt vom Nestlé-Verwaltungsratspräsidenten, dem Kärntner Peter Brabeck-Letmathe mit 6,5 Millionen Euro.
Auch in Deutschland wird vor den Bundestagswahlen im September der Ruf nach schärferen Gesetzen lauter. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle plädierte am Montag dafür, noch vor der Wahl eine neue Regelung zu finden.
Ähnlich äußerte sich Joachim Poß, Vize-Fraktionschef der SPD: "Im Kampf gegen exzessive Managergehälter reicht die derzeitige gesetzliche Grundlage nicht aus", sagte er zu Reuters. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass freiwillige Lösungen nicht weiterführten. Auch Linke und Grüne wollen Grenzen für Vorstandsvergütungen. "Wir prüfen die Schweizer Entscheidung", hieß es im Justizministerium in Berlin.
Skeptisch sind ausgerechnet die Aktionärsvertreter: "Über die Höhe der Vergütungen zu entscheiden, ist eine glasklare Aufgabe des Aufsichtsrats", sagte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Die Aktionäre entscheiden zu lassen, bringe auch nichts, da auf den Hauptversammlungen meist die großen institutionellen Investoren die Mehrheit stellten. "Und eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus", betonte Nieding.
In Brüssel wird unterdessen heute, Dienstag, beim Finanzministertreffen in Brüssel wohl ein letztes Mal über die Bonusbremse für Banker debattiert. An der politischen Einigung, wonach die erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteile die Grundgage nicht übersteigen sollen und nur per Aktionärsbeschluss auf das Doppelte aufgestockt werden dürfen, wird sich kaum noch etwas ändern: In der Abstimmung wäre nur eine qualifizierte Mehrheit nötig. In EU-Ratskreisen war man am Montag unsicher, ob London mitstimmt: Die Briten hatten großen Widerstand gegen die Regelung geleistet. Die Einschränkung bei den Banker-Boni bedeutet de facto einen Eingriff in tausende laufende Verträge für Topmanager bei Finanzinstitutionen mit EU-Konnex.