
Paris. Geht ein Attentäter in Paris um, der es auf Journalisten und Medien-Redaktionen abgesehen hat? Wenige Tage, nachdem ein Mann in der Empfangshalle des Info-Fernsehsenders BFMTV mit einer Pumpgun gedroht hatte, tauchte am Montagmorgen ein bewaffneter Unbekannter in der Redaktion der Tageszeitung "Libération" in der Pariser Innenstadt auf, gab zwei Schüsse ab und verschwand wortlos. Einen 27-jährigen Foto-Assistenten traf er dabei in Brust und Bauch und verletzte ihn schwer.
Der Täter, ein Mann um die 40, trug laut Polizei einen grünen Mantel mit einer schusssicheren Weste. Etwas später eröffnete vermutlich derselbe Mann vor den Türmen der Bank Société Générale im Geschäftsviertel La Défense das Feuer, ohne jemanden zu verletzen, überfiel daraufhin einen Autofahrer und zwang ihn, ihn auf den Champs-Élysées abzusetzen. Dort verlor sich seine Spur, trotz intensiver Suche durch ein Großaufgebot der Polizei.
Die Aufnahmen der Überwachungskameras bei BFMTV und "Libération" festigten die Vermutung der Ermittler, dass beide Vorfälle zusammenhängen. Ihnen fiel die große Ähnlichkeit des jeweiligen Täters und seiner Bekleidung auf, zudem war die Munition, die in beiden Redaktionsgebäuden gefunden wurde, ersten Erkenntnissen zufolge dieselbe. "Es herrscht große Empörung, wir sind alle noch unter Schock", erklärte "Libération"-Redaktionsleiter Fabrice Rousselot. Die Polizei hatte schon nach dem ersten Zwischenfall die Sicherheitsvorkehrungen vor mehreren großen Medienhäusern in der Metropole verstärkt. Die Zeitungen "Le Parisien", "Le Monde", "Les Echos" und "Le Figaro" sowie der Sender Europe 1 ergriffen nach eigenen Angaben auch selbst zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen.
Durch provokante Titelseiten und eine grundsätzlich kritische Haltung genießt "Libération" nicht unbedingt große Beliebtheit in der politischen Klasse. Gestern aber verurteilte diese parteiübergreifend den Angriff. Premierminister Jean-Marc Ayrault nannte ihn einen "unglaublichen und besonders schweren Akt", der "eine direkte Attacke auf eine der Säulen unserer Demokratie darstellt, die Pressefreiheit". Die Regierung werde keine Bedrohung der Medien zulassen: "Alles wird unternommen, um schnell den Täter zu finden und ihn der Justiz zu übergeben."
Innenminister Manuel Valls erklärte, man habe auf Geheiß des Präsidenten François Hollande alle Mittel mobilisiert und die Video-Überwachung in öffentlichen Transportmitteln verstärkt. "Solange wir diese Person nicht gefasst haben, herrscht Beunruhigung", sagte Valls. Kulturministerin Aurélie Filippetti sagte, zum ersten Mal sei ein Presseorgan derart getroffen worden. Im November 2011 wurde allerdings das Satiremagazin "Charlie Hebdo" Opfer eines Brandanschlages als Reaktion auf Mohammed-Karikaturen. In der Folge musste die Redaktion umziehen - und fand Unterschlupf bei "Libération".
Sichtlich aufgewühlt trat auch "Libération"-Verlagsdirektor Nicolas Demorand vor die Presse, seine Kollegen: "Journalisten anzugreifen, das heißt ein essenzielles Rädchen des demokratischen Lebens anzugreifen. Wir wollen nicht hinter schusssicherem Glas arbeiten, mit geschlossenen Eisen-Vorhängen", erklärte er. "Wenn die Zeitungen und Medien zu Bunkern werden müssen, läuft etwas in unserer Redaktion nicht mehr rund."