Paris. (sand) Erschöpft ist Lassana Bathily. Die zahlreichen Medienanfragen zehren an dem 24-jährigen Flüchtling aus Mali. Dabei ist er der Mann der Stunde. Ein Lebensretter. Ein Held. Ein Muslim, dessen Geschichte Frankreich dieser Tage so viel Trost spendet wie keine andere.

Wie eine Sensation wird der Flüchtling Lassana Bathily in Frankreich behandelt. - © BFMTV
Wie eine Sensation wird der Flüchtling Lassana Bathily in Frankreich behandelt. - © BFMTV

So soll Bathily am vergangenen Freitag bei der Geiselnahme im jüdischen Hyper-Cacher-Supermarkt in Paris mehreren Menschen das Leben gerettet haben. Wie vielen genau, ist unklar. Von mindestens sechs Personen ist die Rede. Manche Zeitungsberichte sprechen aber auch von 30 Personen. Im Interview mit dem französischen Fernsehsender BFMTV beschreibt der junge Mann, wie er zum Zeitpunkt der Geiselnahme im Keller des Supermarktes gebetet habe, als plötzlich mehrere Besucher hineingestürmt seien. Er habe sie dann in eine Kühlkammer geführt, die Kühlung abgestellt, das Licht ausgeschaltet und versucht, die Männer und Frauen, darunter auch ein Kind, zu beruhigen. Wie Bathily in Interviews erzählte, wollte er die Geiseln überreden, das Geschäft, in dem der Attentäter Amedy Coulibaly zuvor vier Menschen getötet hat, über den Lastenaufzug zu verlassen. Doch die Leute befürchteten, dass der Lift zu viel Lärm machen könnte. So beschloss Bathily, im Alleingang über die Feuertreppe zu flüchten. Vor dem Supermarkt wartete die Polizei auf ihn. Eineinhalb Stunden hielten ihn die Polizisten in Handschellen fest, bis ein Supermarktkollege Bathilys Identität bestätigte. Dann erst schenkten die Polizisten der Geschichte des Hilfsarbeiters Glauben.

Heute glaubt ihm ganz Frankreich. Per Telefon hat sich der französische Präsident François Hollande bei Bathily bedankt. Auch der israelische Premier Benjamin Netanjahu zollte ihm in seiner Rede in einer Synagoge in Paris Respekt.

Auf Twitter und Facebook outeten sich binnen weniger Tage Tausende als Bathily-Fans. Unter #UneMedaillePourLassana werden Bathilys Aufnahme in die Ehrenlegion und auch die Verleihung der französischen Staatsbürgerschaft gefordert.

Die Sensation: ein Muslim,
der Juden rettet

Ursprünglich stammt Bathily aus Samba Dramané, einer Stadt im Südwesten Malis. Mit 16 Jahren kam er 2006 als minderjähriger Flüchtling alleine nach Frankreich, wo sein Vater lebte, wie er im Gespräch mit dem französischen Sender France 24 erzählt. Vier Jahre lang kämpfte er sich durch die französische Bürokratie. "Das war sehr hart, im Hinblick auf die Arbeit, aber auch um sich in der französischen Gesellschaft zu integrieren", sagt er. Seit 2011 hat er nun Papiere, lebt legal in Frankreich und arbeitet seit vier Jahren in einem koscheren Supermarkt, dessen Mitarbeiter zu "einer zweiten Familie für mich" geworden seien, wie er immer wieder betont. Ruhig und schüchtern wirkt der junge Mann vor der Kamera, auch bei jenem ersten Interview, das ihn berühmt gemacht hat.

"Sie sind Muslim? Und Sie arbeiten in einem jüdischen Geschäft?", fragt ihn da der Moderator von BFMTV fasziniert. Ein Muslim, der in einem jüdischen Geschäft arbeitet und seine Mitmenschen rettet? Unfassbar. Fast zu schön, um wahr zu sein. Zu porös scheint der soziale Kitt geworden zu sein, den es in Frankreich scheinbar nie gegeben hat um an solche Erfolgsgeschichten zu glauben. Bathily wirkt unbeeindruckt und antwortet ruhig: "Wir sind Brüder. Es geht nicht um Juden, Christen oder Muslime. Wir sitzen alle im selben Boot, man muss sich gegenseitig beistehen, um aus so einer Krise herauszukommen."