Vatikanstadt. Die Antwort von Francesca Chaouqui kam am Dienstagmorgen. "Ich bin kein Rabe, ich habe den Papst nicht verraten", twitterte die 32-jährige Italienerin. Die 2013 vom Papst ernannte Vatikanberaterin und der Prälat Monsignor Lucio Angel Vallejo Balda werden beschuldigt, geheime Dokumente über das finanzielle Innenleben des Papstes an Journalisten weitergegeben zu haben. Als Raben bezeichnet die italienische Presse die anonymen Informanten, die seit dem Ende des Pontifikats Benedikt XVI. Informationen an die Öffentlichkeit getragen haben.

Der Prototyp dieser sogenannten Raben war der untreu gewordene Kammerdiener Benedikts, Paolo Gabriele. Er war zu 18 Monaten Haft verurteilt worden. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen, drohen der PR-Agentin Chaouqui und dem spanischen Prälaten bis zu acht Jahre Haft. Nach dem Vatileaks-Skandal der Jahre 2011 und 2012 ließ der Vatikan die illegale Weitergabe von Dokumenten als Straftat festschreiben.

Geheimes Dossier:
"Alles muss ans Licht"


Während Chaouqui am Wochenende von der Vatikangendarmerie nach einem Verhör wieder entlassen wurde, weil sie offenbar mit den Behörden zusammenarbeitet, sitzt Monsignor Vallejo Balda weiterhin im Vatikan in Haft. Der dem Opus Dei nahestehende 54 Jahre alte Priester war Koordinator einer von Franziskus eingesetzten Kommission, die seit 2013 die völlig undurchschaubaren Vermögensverhältnisse des Vatikans neu ordnen sollte.

Unterlagen dieser Kommission gelangten in die Hände zweier italienischer Journalisten, die heute, Mittwoch, jeweils ein Buch über die nach wie vor skandalösen Finanzverhältnisse des Heiligen Stuhls sowie Widerstände gegen die Reformen des Papstes veröffentlichen. Chaouqui, die bereits zuvor mit wilden Spekulationen und der Verbreitung von unhaltbaren Gerüchten von sich reden machte, bezeichnete sich selbst als Freundin von Gianluigi Nuzzi, einem der beiden Journalisten. Dessen Buch "Alles muss ans Licht: Das geheime Dossier über den Kreuzweg des Papstes" erscheint am Donnerstag auf Deutsch. Mit "Seine Heiligkeit" hatte Nuzzi im Jahr 2012 den sogenannten Vatileaks-Skandal ausgelöst. Paolo Gabriele hatte dem Journalisten Dokumente aus dem Büro Benedikt XVI. zugespielt.

Der von Franziskus zu Beginn hochgeschätzte Opus-Dei-Priester Vallejo Balda sorgte dafür, dass auch die umtriebige Chaouqui als Expertin für Kommunikation in die Finanzkommission berufen wurde, die inzwischen aufgelöst ist. Vallejo Balda und Chaouqui fielen endgültig in die Ungnade des Papstes, nachdem sie anlässlich der Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. zu einer exklusiven Dachparty mit Blick auf den Petersplatz geladen hatten. Der Priester verteilte bei dieser Gelegenheit Hostien im Plastikbecher.

Missbrauch von Spendengeldern


Die beiden bevorstehenden Buchveröffentlichungen zeichnen ein nach wie vor desolates Bild der Verwaltung des Heiligen Stuhls. Auch heute, drei Jahre nach Amtsantritt Jorge Bergoglios, seien Geldverschwendung und Klientelwirtschaft an der Tagesordnung.

So berichtet der Journalist Emiliano Fittipaldi in seinem auf Italienisch erscheinenden Buch "Avarizia" ("Habsucht") über Unternehmer, die allen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Trotz ihr Geld noch immer in der Vatikanbank verstecken. Der ehemalige Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone soll die Renovierung seiner 700 Quadratmeter großen Wohnung teilweise mit Mitteln einer Stiftung beglichen haben, die sich eigentlich für die Pflege kranker Kinder einsetzt. Die Spenden von Gläubigen aus aller Welt an den Papst in Millionenhöhe würden vor allem verwendet, um die Finanzlöcher der römischen Kurie zu stopfen, lautet der Vorwurf.

Die beiden Autoren beschreiben außerdem, wie die alten Kader im Vatikan sich mit allen Mitteln gegen Reformen stemmen. "Es gibt nichts, was ich mehr verteidigt habe, als die Kirche und den Papst", hat sich Francesca Chaouqui noch verteidigt. Ob Franziskus nach den Veröffentlichungen weiterhin als tatkräftiger Reformer dasteht, darf getrost bezweifelt werden.