Der Terrorangriff ist der schwerste in der Türkei seit dem Doppelanschlag des Islamischen Staates in Ankara, bei dem am 10. Oktober vergangenen Jahres 102 Menschen starben und mehr als 500 verletzt wurden. Die Terroristen haben das Land ins Visier genommen, seit Ankara sich offiziell der US-geführten Koalition gegen die Terrormiliz anschloss und dem US-Militär die Luftwaffenbasis Incirlik an der Ägäis für Angriffe in Syrien und im Irak überließ. Bisher attackierten die Dschihadisten vornehmlich kurdische Organisationen, erstmals wurden nun Touristen zu Opfern. Dass der Attentäter vor allem Deutsche in den Tod riss, könnte eine Reaktion auf die Aufklärungsflüge der Bundeswehr sein, die seit Jahresbeginn von Incirlik starten.
Sultanahmet ist normalerweise ein quirliger, lauter Ort voller Menschen. Doch knapp eine Stunde nach der Tat wirkt das Viertel ungewohnt still. Polizisten haben die Explosionsstelle weiträumig abgesperrt, zwischenzeitlich ist der Straßenbahnverkehr eingestellt worden. Ein Hubschrauber kreiste über dem Hippodrom, Polizisten sicherten die Aufnahmen der zahlreichen Überwachungskameras. Fernsehteams warteten auf Stellungnahmen der Polizei. Auch Touristen standen am Straßenrand und nahmen die Szene mit ihren Handykameras auf. Europäer waren kaum unter ihnen, um diese Jahreszeit kommen vor allem Gäste aus dem arabischen Raum in die Bosporusmetropole.
Der 40-jährige Kaufmann Fetih Arumaih ist mit seiner Frau und den drei Kindern aus Saudi-Arabien angereist, um eine Woche lang Istanbul zu erleben. "Unser Hotel liegt nur 500 Meter entfernt. Ich habe meiner Familie noch gar nicht erzählt, was passiert ist, um sie nicht zu ängstigen", sagt er. "Wären wir nur eine Stunde früher losgegangen, wären wir vielleicht jetzt tot." Dann sagt Fetih Arumaih, dass er die Reise wahrscheinlich abbrechen werde. Er könne es nicht verantworten, seine Familie weiter zu gefährden.
Diese Reaktion der Touristen fürchten die Hoteliers, Händler und Gastwirte am meisten. "Natürlich haben unsere Gäste Angst", sagt Altin Diko, Manager des kleinen Hotels "Star Holiday" gegenüber der Hagia Sophia. Es sei zu befürchten, dass Touristen jetzt ihre Reise stornierten und die Tourismusindustrie schwere Einbußen erleide. "Der Anschlag ist absolut entsetzlich", sagt Diko. "Nicht nur für uns Istanbuler, sondern für die ganze Türkei."