Das Burgenland gilt traditionell als Gänseland und Pilgerstätte für Martinijünger. Der heilige Martin wurde bekanntlich in der Spätantike in Pannonien geboren, weshalb er bis heute als Landespatron des Burgenlandes fungiert. In der wohl schönsten Gemeinde des Burgenlandes, namentlich in Rust am Neusiedler See, treffe ich auf Gerhard Triebaumer, den Sohn des bekannten Weinbaupioniers Ernst Triebaumer. Die Triebaumers widmen sich nicht nur passioniert dem Weinbau, vielmehr sind sie im Rahmen ihrer naturverbundenen Lebensweise auch in hohem Maße der Tradition der Altvorderen verhaftet. Zu einem Bauernhof gehörten in Transleithanien immer schon Tiere mit dazu. Neben Schafen und Hühnern tummeln sich auf Triebaumerscher Scholle auch Gänse.
Expertise von Gerhard Triebaumer
Was er denn am liebsten aus seinem Sortiment zum klassischen Gänsebraten trinkt, möchte ich von Gerhard Triebaumer wissen. Da der Gänsebraten eine Speise sei, die entsprechend zu zelebrieren ist, begnügt sich dieser nicht bloß mit einem Glas Wein. Zumindest zwei müssen es schon sein. Als Auftakt dient der Chardonnay Pandkräften (ab Hof 22 Euro), der im 2016er Jahrgang 13 % Alkohol aufweist. Triebaumer: "Der ist kräftig, schließt aber mit einem Schnalzer ab." Er habe ausreichend Körper, um der opulenten Gans standzuhalten, sei aber zugleich spannungsgeladen. "Das hält mich frisch", so Triebaumer.
Als zweiten Teil des Gansbraten-Zeremoniells zieht Triebaumer den Blaufränkisch Oberer Wald 2016 (ab Hof 22 Euro, 13,5 % Alk.) heran, einen Wein, den ich zu den besten austriakischen Gewächsen in Rot zähle. Der finessenreiche Obere Wald sei "ein Charakterwein mit Spannung, der Substanz hat und dennoch nicht übersättigt". Falls noch ein dritter Wein zur Speise gewünscht ist (oder als Alternative zu einem der vorgenannten Weine), kommt für Triebaumer auch der 2015er "Urwerk M" (ab Hof 30 Euro, 11,5 % Alk.) in Frage. Es handelt sich um einen reinsortigen Gelben Muskateller, einen unfiltrierten und ungeschwefelten "Natural"-Sortenvertreter, der in dieser noblen Ausprägung als einzigartig gelten darf. "Seine Struktur, sein Tiefgang und seine Länge", so Triebaumer, "lassen ihn als Speisenbegleiter neben der Gans bestehen", jedoch sei er "in keiner Phase fett und stets harmonisch", wodurch der Mahlzeit in ihrer Gesamtheit keine ungebührliche Opulenz erwachse.
Expertise von Rainer Christ
Weil dem heiligen Martin am 11. November in kulinarischer Hinsicht mittlerweile nicht nur im Burgenland, sondern auch in der Bundeshauptstadt gehuldigt wird, habe ich auch noch den renommierten Wiener Winzer Rainer Christ um eine Wortspende zur Gans gebeten. Für ihn sei aus dem Christschen Sortiment der 2017er Gemischte Satz Bisamberg (ab Hof 16 Euro, 13 % Alk.) die erste Wahl. Der Wein habe eine schöne Struktur und ein gutes Rückgrat, sei aber nicht zu schwer und alkoholisch. Alles in allem stimmen seine Überlegungen zur Kombination von Gans und Wein mit jenen von Triebaumer völlig überein. Insgesamt haben die beiden Weinmacher auch meine Ansicht bestätigt: Mit ihnen bin ich der Meinung, dass im Falle der Martinigans bei der Weinauswahl Bedachtsamkeit angesagt ist, denn eine (durch falsche Weinauswahl) gesteigerte Üppigkeit würde den Organismus allzu stark belasten.
Print-Artikel erschienen am 9. November 2018
In: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 41