Eine Welt ohne Farben wäre weder unterhaltsam noch sinnvoll. Zumindest aus Sicht der Natur. Farbcodes finden sich überall, sind längst im kollektiven Gedächtnis eingebrannt. Als Signal- oder Lockfarbe, zur Orientierung oder Verwirrung.
Schwarz ist die Farbe der Trauer, Blau für Buben und Rosa für Mädchen und Weiß für Ärzte. Schwarz-gelb gestreifte fliegende Insekten stechen und bei Rot bleibt man besser stehen. Wenn man allerdings im asiatischen Raum lebt, dann wäre Weiß die Farbe der Trauer. Die seltsame Farbeinteilung in Hellblau und Rosa für den geneigten Nachwuchs gibt es erst seit den 1940er Jahren. Davor sah man in Rosa noch das kleine Rot, symbolisierte somit Mut und Stärke, daher wurde es für Söhne verwendet. In der logischen Überlegung ist dann das Blau der Jungfrau Maria das Leitmotiv für Mädchen, also wählte man das kleinere Blau, Hellblau. Und in Weiß gekleidete Ärzte findet man nicht mehr so häufig, wie man denkt. Grün und Blau liefen hier der Ärztefarbe Nummer Eins vor gar nicht allzu langer Zeit den Rang ab. Einerseits ist Weiß nicht unbedingt gut sauber zu halten, auf der anderen Seite sollen grüne und blaue Uniformen bei Operationen das Auge des Chirurgen weniger anstrengen und ablenken. Bei Rot sollte man trotzdem stehenbleiben, sicher ist sicher, was übrigens dann bei Rot-Grün-Blindheit ein Problem sein könnte, deshalb bleibt eine Ampel auch in der bekannten Reihenfolge bestehen. Dank Mimikry ist nicht alles gelb-schwarz Gestreifte eine Wespe, fragen sie etwa die Hainschwebfliege.
Die wunderbare Welt der Farben bietet eine sehr breite Anwendungspalette für den Alltag. Wie Farben wirken (können) und wie man sie nutzen kann, ist ein Themengebiet in der Farbpsychologie. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung hat auf viele Bereiche Auswirkungen – egal, ob Werbung, Kleidung oder die menschliche Psyche, an vielen Orten wird non-verbal über Farbe kommuniziert. Und der Mensch nimmt diese Botschaften unbewusst und unterschwellig wahr.
Historisch betrachtet, spielen Kleidung und Wandfarben schon seit Menschengedenken eine große Rolle, nicht nur zum Zwecke der Verschönerung, sondern auch, um damit Hierarchien und Macht zu zeigen und sichtbar zu machen. Purpur, teuer und aufwendig in der Herstellung, ist für Herrscher, das ist bis heute im kollektiven Gedächtnis eingebrannt. Berufsstände oder politische Zuordnungen werden ebenso über bestimmte Farben definiert. Farben bieten somit eine Ein- und Zuordnungsmöglichkeit, die das menschliche Leben deutlich vereinfacht. In vielen Bereichen sind weltweite Standards in Farbcodes dafür verantwortlich, dass man Orientierung findet. Dieser Tatsache ist auch geschuldet, dass man ein rotes Dreieck auf einer Plastikflasche, unabhängig von der aufgedruckten Sprache, als Warnhinweis deuten kann. Und wer weiß nicht, wie irritierend ein kaputtes Rück- oder Blinklicht sein kann, das anstatt in dem erwartbaren Rot oder Orange auf einmal in nacktem Weiß aufleuchtet.
Die Farben und die Psychologie
Aufgrund all dieser Eigenschaften sind Farben schon seit ewigen Zeiten essentielle Hinweisgeber in der menschlichen Welt. Daraus ergibt sich, geradezu zwingend, auch eine wissenschaftliche Untersuchung und Interpretation der Auswirkungen und Einflüsse von Farben auf den Menschen und sein Umfeld. Bei Menschen desselben Kulturkreises bestehen durch Tradition und Erziehung viele Gemeinsamkeiten, individuelle Unterschiede bleiben aber in jedem Fall erhalten und werden auch gezielt zur nonverbalen Kommunikation mit den Mitmenschen genutzt. Dieser Thematik widmet sich die Farbpsychologie. Sie hat nicht nur auf Gesellschaften und Kultur – Mode, Innenausstattung oder Werbung – großen Einfluss, sondern auch auf einzelne Individuen. Über sogenannte Farbtests sollen sich Rückschlüsse auf die Person, ihre Charaktereigenschaften und ihre Persönlichkeit, ziehen lassen. Einer der bekanntesten Tests in diesem Feld ist jener des Schweizer Psychologieprofessors Max Lüscher. Der nach ihm benannte Lüscher-Farbtest wurde 1947 entwickelt und ist seitdem, in zahlreichen Überarbeitungen, Modifizierungen und Verbesserungen, immer noch im Einsatz. Solche psychologischen Farbtests sollen über die Bevorzugung bestimmter Farben und Farbkombinationen auf die Persönlichkeit der Testperson schließen lassen. Die Lüscher-Color-Diagnostik, so wird diese Methode aktuell bezeichnet, soll unter anderem Einblicke in die Leistungskraft und Stressverträglichkeit, das Selbstbild und die Zukunftserwartungen eines Menschen ermöglichen. Allgemeine Farbtests sollen zudem Auskunft geben, wie Menschen auf welche Farben reagieren. Psychische Farbwirkungen werden in vielen Kulturen wahr- und angenommen, was sich etwa in Sprichwörtern und Redewendungen niederschlägt. Man denke hierbei nur an Aussprüche wie "Am Montag blau machen" und "grün und blau schmückt die Sau".
Die Erkenntnisse aus diesen Tests werden heute in den unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Ob in der Personalentwicklung, im Produktdesign, in der Medizin oder bei der Partnerwahl, sag mir deine Lieblingsfarbe und ich sage dir, wer du bist. Die "seelischen Wirkungen" der Farbwahrnehmung werden – intuitiv oder bewusst – für Effekte bei der künstlerischen Gestaltung sowie in der Mode- und Werbebranche genutzt. Wie leicht man sich verwirren lassen kann, zeigen Untersuchungen mit eingefärbten Lebensmitteln, bei denen die Erfahrung und Erwartungshaltung durch die Farbe der Speise bereits einen bestimmten Geschmack auslöst. Oder Ablehnung, wie etwa im Fall von blauem Ketchup, dem eine kurze Lebensdauer am Markt beschieden war. Auch die Verbindung von Schrift und Farbe ist ein immer wieder gerne genutzter Test – Testpersonen, die in blauer Schrift etwa das Wort "Rot" lesen, sind gemeinhin zunächst einmal irritiert.
Gerade in der Werbung sind es die Farben, die einen entscheidenden Einfluss auf Kaufverhalten und Markentreue haben. Kein Wunder also, dass große Marken ihre Logos und deren Farbmischung patentieren lassen. Kräftige Rottöne laden zum Kauf ein, in der falschen Mischung werden sie aber zum Warnhinweis. Es reicht also längst nicht, wenn man meint, ein Produkt wird "blau" – denn die Farbnuancen sind schier unendlich und je nach Tradition und Erlerntem unterschiedlich aufge- und beladen.
In den letzten Jahrzehnten hat zum Beispiel die Farbe Weiß einen großen Wandel erlebt. Weiß war die Farbe der Reinheit, der Klarheit und somit von Wissen und Kompetenz. Vom weißen Arztkittel bis zur weißen Arztpraxis. Doch genau im Gesundheitswesen erfolgte ein Umbruch. Abgesehen vom schon erwähnten Operationsoutfit, sollen Naturfarben die Patienten beruhigen und entspannen. Viele Arztpraxen wurden daher mit Gelb, Grün oder Orange ausgemalt, zumindest in Teilbereichen. Sonnige Farben für ein sonniges Gemüt, wenn man so will. Doch zahlreiche Untersuchungen stützen diese Annahmen. Wohnräume werden in kräftige Farben getaucht, während Schlafzimmerwände entspannende Anstriche erhalten. Was zunächst eher im Feng Shui, der daoistischen Harmonielehre aus China, bekannt war, hat auch in anderen Ländern schnell Fuß gefasst. Reinweiße Wände in Wohnungen gehören mittlerweile eher zur Seltenheit.
Die Fragen zu Farben
Auch wenn man immer wieder Diskussionen darüber hören kann, Weiß ist und bleibt eine Farbe. Übrigens genauso wie Grau und Schwarz. Man spricht hierbei aber von unbunten Farben. Es sind somit keine Spektralfarben, sondern sie entstehen durch ein Gemisch aus Einzelfarben, das den gleichen Farbeindruck hervorruft wie Sonnenlicht.
Überhaupt ist so vieles in der Farbwelt für den Menschen so schwer zu erkennen. Will man das Farbspektrum der Welt in Zahlen fassen, so muss man scheitern. Wie viele Farben gibt es eigentlich? Sagen wir es so, ein Computer kann rund 16 Millionen Farben unterscheiden, viel mehr als das menschliche Auge bewusst wahrnehmen kann. Das bedeutet wiederum, dass es mehr Farben auf dieser Welt gibt, als wir Menschen sehen. Und eigentlich ist es auch gut so; solange die Welt bunt ist, ist alles gut.