In bukolischen Gefilden, namentlich auf dem Buchertberg im oststeirischen Vulkanland, befindet sich der "Herrenhof" der Familie Lamprecht. Ringsum streift der Blick über rebenbewachsene Rieden, in der Ferne erspäht das Auge die mächtige Riegersburg. In diesem einmaligen Ambiente hat Gottfried Lamprecht seit 2006 ein vinophiles Refugium geschaffen. Seine Familie hatte bis dahin mit dem Weinbau keinerlei Anknüpfungspunkte, und dennoch kann der ambitionierte Winzer in dieser Hinsicht auf eine alte Tradition verweisen.
Im Grunde geht die Erfolgsgeschichte des Weinguts auf eine heilige Handlung zurück: Noch zu Kaisers Zeiten, und zwar im Jahr 1913, machte sich Alois Lamprecht, der Urgroßvater des heutigen Weingutinhabers, von der Südsteiermark aus zu einer Wallfahrt nach Mariazell auf. Auf seiner Pilgerreise, die er auf Schusters Rappen unternahm, kam dieser am oststeirischen Buchertberg vorbei, wo er ein verwildertes landwirtschaftliches Anwesen entdeckte. Wie sich herausstellte, handelte es sich um den ehemaligen Wirtschaftshof des Augustiner-Chorherrenstiftes Vorau. "Zu jenem Zeitpunkt ist dort schon alles desolat gewesen", sagt Gottfried Lamprecht. In manchen Räumen des alten Gemäuers, deren Fensterscheiben nicht mehr vorhanden waren, sei damals mannshoch das Unkraut gestanden.

Sogleich entschloss sich Alois Lamprecht, die Liegenschaft zu erwerben. Seine landwirtschaftlichen Flächen in der Südsteiermark waren auf zahlreiche Feldstücke zerstreut gewesen, hier konnte er nun auf einer zusammenhängenden Scholle wirtschaften. In weiterer Folge entstanden auf dem idyllischen Buchertberg ausgedehnte Obstbaumkulturen, die auch von den Nachfahren des Umsiedlers gepflegt und gehegt wurden.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends machte sich Gottfried Lamprecht auf, um in Klosterneuburg an der Höheren Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau seinen Horizont puncto Obstbau zu erweitern. Von den Vorzügen des edlen Rebensaftes hatte er zu jener Zeit noch keine Vorstellungen gehabt. Bei Exkursionen und im Austausch mit seinen Schulkollegen lernte er nun zusehends das Gewächs des Weinstocks zu schätzen. Schon bald besann sich Gottfried Lamprecht darauf, dass der heimatliche Herrenhof einst von den Augustiner Chorherren als Weinbaubetrieb geführt worden war. Die Augustiner-Mönche hatten schon immer einen Sinn dafür gehabt, wo guter Wein gedeiht (auch das Klosterneuburger Stiftsweingut wurde von Augustinern ins Leben gerufen). Mit Pferdefuhrwerken transportierten die steirischen Mönche einst die Fässer in einer Tagesreise vom Buchertberg zum Stift Vorau.
Gleich nach Absolvierung der Klosterneuburger Schule fasste Gottfried Lamprecht den Entschluss, auf dem Buchertberg nach mehr als hundert Jahren an die alte stiftliche Weinbautradition anzuknüpfen. 2006 pflanzte er die ersten Rebstöcke der Sorte Pinot Noir aus. Bei zahlreichen Verkostungen hatte er gustatorisch empfunden, dass biologisch erzeugte Weine anders und irgendwie intensiver schmecken, weshalb er schon kurz nach Gründung seines Weingutes auf biologische Wirtschaftsweise umstellte. Unterstützt vom Vater legte er einen Weingarten nach dem anderen an, der Obstbau trat nun zunehmend in den Hintergrund. Heute entfallen neun Hektar der Fläche auf Weinbau und zweieinhalb Hektar auf den Anbau von Äpfeln und Aronia.
Mittlerweile wurden die Qualitätsbemühungen des Winzers durch eine beachtliche Reihe von Bewertungen und Auszeichnungen honoriert. Hohe Punktezahlen erreichte er für seine Weine bei Magazinen wie Falstaff, Gault Millau, A la Carte, wein.pur und Weinwisser. Das Feinschmecker-Magazin nominierte ihn 2017 als "Newcomer des Jahres", der Gault Millau Wein-Guide kürte ihn zum "Ausnahmewinzer des Jahres 2018" und beim Bewerb "Wiener Zeitung Weine 2018" errang er mit seinem Furmint des Jahrgangs 2017 den 2. Platz.
Der Fokus liegt am Herrenhof bei den Weißweinsorten. Der Furmint sei früher in der Steiermark als "Mosler" bekannt gewesen, im Zuge der Sortenbereinigung jedoch in der grünen Mark praktisch völlig ausgerottet worden, weiß Lamprecht zu berichten. Er selbst habe bei einer Erkundungstour durch die ehemalige Untersteiermark im heutigen Slowenien die Sorte verkostet und sei sogleich beeindruckt gewesen von deren gutem Potenzial. Der beim Bewerb "Wiener Zeitung Weine 2018" mit dem 2. Platz ausgezeichnete "Furmint vom Sandstein 2017" hat mit 12,5 Volumsprozent, ebenso wie die meisten anderen Herrenhof-Weine, einen moderaten Alkoholgehalt. Er ist ausgereift und vollmundig, verfügt über eine schöne Textur sowie einen bestechenden Trinkfluss und verabschiedet sich anhaltend. Der Preis von 12 Euro ist wohlfeil. Im Übrigen sind die meisten Gewächse vom Herrenhof in einem erschwinglichen Preissegment zwischen 10 und 16 Euro angesiedelt. Der würzige "Buchertberg Weiß 2016" (16,50 Euro) ist ein Gemischter Satz, der aus einem Weingarten mit rund 100 verschiedenen Sorten stammt. Gottfried Lamprecht hat zahlreiche verschwundene Sorten wieder zurückgeholt, er versteht dies als seinen Beitrag zu Vielfalt und Tradition. Reinsortig spielt der Sauvignon Blanc wie auch der Graue Burgunder eine herausragende Rolle.
Damit seine Kunden wissen, woran sie sind, hat Gottfried Lamprecht eine "Herrenhof Charta" aufgestellt. Im Vordergrund steht dabei der Qualitäts- und Herkunftsgedanke, aber auch die ökologische Nachhaltigkeit. Weiters können sich die Kunden darauf verlassen, dass die Weine naturbelassen sind und mittels Spontanvergärung sowie ohne Zusatz von "Mittelchen" gekeltert werden. Im Weingarten hat die Förderung des Bodenlebens höchste Priorität. Dass mit seinen fragilen Weinen entsprechend "umzugehen" ist, etwa durch den Einsatz des entsprechenden Weinglases, ist auch am Rücketikett der Weine vermerkt.
Am Herrenhof finden immer wieder kulinarische "Pur-Seminare" statt, bei denen der Winzer seine Weinstilistik erläutert. Mit von der Partie bei diesen "kulinarischen Sessions" ist Haubenkoch Johann Reisinger, der sich dem "Slow-Food"-Konzept verschrieben hat. Die nächste Session findet am 16. März, ab 16 Uhr, am Herrenhof statt (Kostenpunkt 69 Euro, Anmeldungen sind über die Homepage möglich).
Print-Artikel erschienen am 1. Februar 2019
In: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 20–21