Es gibt Lebensmitteltrends, die sollen unsere Ernährung insgesamt gesünder machen, und es gibt solche, die vor allem die Hersteller neuer Lebensmittel reich machen sollen. Nicht immer ist klar erkennbar, wer bei einem Trend der eigentliche Profiteur ist: der Kunde oder der Verkäufer? Wahrscheinlich ist es – wie so oft im Leben – eine Mischung: Da wie dort sind ernstzunehmende Aspekte dabei, da wie dort gibt es aber auch Betrüger. Das gilt wohl für die inzwischen zur Industrie angewachsene Bio-Branche ebenso wie für den derzeit boomenden Sektor der supergesunden Superfoods.
Nachfrage nach Superfood wächst
Wie in keinem anderen Lebensmittelbereich wächst derzeit die Nachfrage nach dem Super-Essen. Bis 2024 soll das Marktvolumen um satte 250 Milliarden US-Dollar steigen, errechnete die Analystenfirma Technavio. Und das bei jährlichen Wachstumsraten von fast 20 Prozent weltweit. Wobei man in Nordamerika mit satten 32 Prozent Plus pro Jahr rechnet.
Aber was ist Superfood und warum will es jeder haben? Der Trend zu gesunden Lebensmitteln hält schon seit einigen Jahrzehnten an, jedoch werden die Subtrends immer detaillierter. Während die Bio-Revolution recht langsam, dafür aber stetig in die Supermärkte Einzug hielt und von dort heute nicht mehr wegzudenken ist, hat es der Trend zu Superfood viel schneller in die Köpfe der zahlenden Kunden geschafft, fast genauso rasch wie auch die Trends zu veganen Fertiggerichten oder Fleischersatzprodukten.

Die Industrie ist voll auf den Zug aufgesprungen und vermarktet inzwischen unzählige Superfood-Produkte, wobei man hier durchaus kreativ ist. Superfood ist als Begriff nämlich in keiner Weise gesetzlich geregelt – im Prinzip darf jedes Nahrungsmittel als Superfood bezeichnet werden, ganz egal, was drin steckt.
Wirkung wenig untersucht
Und auch die Wirksamkeit und der Einfluss auf die Gesundheit von Superfoods sind nur schwach abgesichert, stammen die meisten der Behauptungen über die positiven Eigenschaften der Superfoods doch von den Herstellern selbst, oder von Ernährungsberatern und Interessensgruppen. Irgendwie gesund sind diese Lebensmittel schon, aber das ist eben wissenschaftlich oftmals nicht mit gesicherten Daten untermauert.
Wie gut, dass sich der gesundheitliche Aspekt also meistens schon durch die Optik, die Verpackung und den Namen der Zutaten erschließt: Wer will die Straffheit seiner Haut nicht gerne mit dem Saft der Goji-Beere fördern, die man in so manchem Smoothie, aber auch in Trinkjoghurts findet. Wer glaubt, dass heute für seine Ration an Omega-3-Fettsäuren noch Fische sterben müssen, der irrt gewaltig: Schließlich steckt die gute Fettsäure auch in Chia-Samen. Und die biologisch angebauten Avocados aus Spanien wirken sich natürlich auf die Umweltbilanz positiv aus; der Weg ist ja nicht so weit wie jener, den Avocados aus Südamerika zurücklegen müssen.
Die Avocado: So beliebt wie problematisch
Die Avocado ist vielleicht das Ur-Superfood dieser aktuellen Ernährungsbewegung. Die Nachfrage ist seit den 1990er Jahren in Österreich geradezu explodiert, Absatzzahlen haben sich verdreifacht. An der Avocado lässt sich aber auch gut illustrieren, wie negativ ein solcher Boom sein kann: Bei allen positiven Eigenschaften der Frucht gilt sie heute als grobe Umweltsünde. Dabei ist nicht nur der lange Transportweg problematisch, sondern auch der Anbau – in Chile hat die Avocado ein ganzes Ökosystem durcheinander gebracht: Die Tropenfrucht benötigt Unmengen an Wärme und Wasser – ein Kilo braucht bis zur Ernte unglaubliche 1.000 Liter, mehr als viele Obst- und Gemüsesorten.

Gerade in Ländern mit großer Trockenheit, etwa in Mexiko, ist Wasser jedoch ein knappes Gut. In Chile sind deshalb ganze Landstriche zu Wüsten geworden, ganze Flüsse versiegt. In den Niederlanden werden die unreif geernteten Früchte mit Begasung und spezieller Temperatur in großen Hallen zum Reifen gebracht, was wieder Unmengen an Energie verschlingt. Wer auf die Avocado dennoch nicht verzichten will, sollte beim Kauf auf die Herkunft achten: Solche aus Peru oder Kenia kann man bedenkenlos kaufen, weil sie dort eher von Kleinbauern gezüchtet werden anstatt in großen Monokulturen.
Heimische Superfoods: Leinsamen, Heidelbeeren und Rotkraut
Das alles hat natürlich seinen Preis, den der Endkunde bezahlen soll. Deshalb ist Superfood im Geschäft deutlich im oberen Preissegment angesiedelt. Wer hingegen auf die Herkunft der Produkte achtet, kann nicht nur verhindern, dass Umweltsünden begangen werden, sondern auch beim Preis sparen. Leinsamen aus heimischem Anbau eignen sich genauso gut als Superfood wie Chiasamen. Heidelbeeren und Rotkraut sind ein guter Ersatz für die Goji-Beere.
Wenn da nicht die heilsbringenden Eigenschaften der Superfoods wären: Die teilweise exotischen Samen, Körner und Früchte sollen das Leben verlängern, oder zumindest gegen Krankheiten helfen, Beschwerden lindern und ein vitales Lebensgefühl mit sich bringen. Leider sind auch diese Versprechungen zumeist entsprechend aufgemotzt von den Marketingabteilungen der Hersteller.
Viele der Produkte sind nämlich gar nicht so gesundheitsfördernd wie man denkt, das bestätigen auch die Experten von "Medizin Transparent", einem Service des Departments für evidenzbasierte Medizin und Evaluation an der Donau-Universität Krems. Dort hat man beispielsweise herausgefunden, dass der regelmäßige Konsum von Chia-Samen möglicherweise weder das Körpergewicht noch den Blutzucker- oder den Cholesterinspiegel senken kann, wie das immer behauptet wird. "Ob Chia-Samen die Gesundheit fördern, ist nicht direkt untersucht. Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien weisen zumindest darauf hin, dass Chia keine Auswirkung auf Körpergewicht, Blutzucker und Cholesterin hat", heißt es da. Auch die gehypte Blaualge Spirulina, erhältlich in Kapselform, hält möglicherweise nicht, was sie verspricht: "Diversen Studien zufolge soll Spirulina bei Asthma, Allergien, Diabetes oder sogar chronischen Schmerzen helfen, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken oder beim Abnehmen helfen. Aufgrund gravierender Mängel sind die Ergebnisse dieser Studien jedoch nicht vertrauenswürdig", so die Experten bei "Medizin Transparent". Auch der nordische Food-Trend Birkenwasser könnte wirkungslos sein. Als Detox-Kur soll Birkenwasser dem Körper beim Entgiften helfen. Wissenschaftliche Belege fehlen allerdings.
Nicht so super: Allergien und Gifte
Manche Superfoods können dem Körper sogar schaden: Denn wenn solche Superfoods beispielsweise als verarbeitete Zutat in Kapselform angeboten werden, besteht laut "Deutscher Gesellschaft für Ernährung" immer das Risiko, ein Konzentrat zu kaufen, das auch toxische Wirkung auf den Organismus haben kann. Allergien und Überempfindlichkeitsreaktionen können die Folge sein, zudem ist nicht gesichert, wie sehr die Superfoods – sowohl als Kapsel als auch im Urzustand als Beere, Samen oder Pflanzen – mit Pestiziden belastet sind. Auch Mineralöl-Rückstände oder Schwermetalle können nicht ausgeschlossen werden. Ganz so super ist das also nicht.

Daher rät selbst das Gesundheitsministerium zum besonnenen Umgang mit dem Superfood. "Eine gesundheitsfördernde Ernährungsweise soll abwechslungsreich und pflanzenbetont sein, also unter anderem reich an Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten. Es ist nicht sinnvoll, sich auf gesundheitliche Vorteile von einigen wenigen Lebensmitteln, die als Superfood angepriesen werden, zu verlassen", heißt es auf der Website des Ministeriums. Was so viel heißt wie: Die Dosis macht das Gift. Man rät, vor dem Verzehr von Superfood jedenfalls einen Arzt oder Diätologen zu konsultieren.
Brokkoli-Boom
Der Hype um die weit gereiste Acaibeere könnte ohnehin bald der Vergangenheit angehören, denn es tut sich ein neuer Trend auf: Das heimische Superfood, das quasi ums Eck im Schrebergarten wächst, rückt wieder mehr ins Bewusstsein der Konsumenten. Und dabei wird unter dem Marketingbegriff Superfood eigentlich nur neu verpackt, was man ohnehin schon aus Großmutters Zeiten kennt: Plötzlich verehrt die Bewegung nämlich wieder Brokkoli, Spinat und rote Rüben und stilisiert Hülsenfrüchte wie Bohnen oder Linsen zu wahren Alleskönnern hoch. Auch Brom-, Holunder-, Heidelbeeren, Kirschen, Nüsse und Samen, Leinsamen, Sesam, Kürbis- und Sonnenblumenkerne sowie deren Öle sind heute wieder en vogue. Auch heimischer Tofu, Kräuterseitlinge und Champignons, Küchenkräuter wie Basilikum, Petersilie oder heimische Hirse und Getreide zählen zu den neuen Superfoods aus dem eigenen Land.Die Industrie hat den Trend erkannt und produziert neue Marken mit lokalen Superfoods. Hochpreisig sind sie trotz der kürzeren Lieferwege geblieben, denn das Segment boomt. Und auch hier steht die Gesundheit im Vordergrund: Lebensmittel, die Antioxidantien, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine im Überfluss enthalten, sind im Trend, und sie haben, im Unterschied zu den weitgereisten Superfoods, noch eine positive Umweltbilanz. Wer sie im eigenen Garten auch noch selbst anbaut und erntet, der isst so gesund wie dereinst die Großeltern. Schon super.