Wenn man die Alpen auf einer Karte betrachtet, sehen sie fast aus wie eine Riesengarnele, die sich in einem Bogen vom Ligurischen Meer bis zum Pannonischen Becken erstreckt, gut 1.200 Kilometer lang und bis zu 250 Kilometer breit. Das höchste Hochgebirge Mittel- und Südeuropas gehört zum sogenannten "Alpidischen Gebirgsgürtel", der sich von West nach Ost von den Pyrenäen bis zum Himalaya erstreckt.
Die Geschichte der Alpen beginnt vor etwa 135 Millionen Jahren: Statt hoher Gipfel gab es ein flaches, warmes Meer, in dem sich unter anderem auch Haie tummelten. Doch als die afrikanische Platte immer weiter nach Norden wanderte, stieß sie mit der europäischen Kontinentalplatte zusammen. Die beiden Platten schoben sich übereinander und falteten dabei die Alpen auf. Das ist natürlich nur eine sehr vereinfachte Darstellung und das alles passierte auch nicht innerhalb weniger Jahre, im Gegenteil – die Auffaltung erfolgte in verschiedenen Phasen und der Vorgang dauert heute noch an. Die Höhenzunahme beträgt jedoch nur etwa einen Millimeter pro Jahr, obwohl sich die Kontinentalplatten weiterhin rund fünf Zentimeter pro Jahr aufeinander zubewegen.
Die heutige Gebirgsform erhielten die Alpen durch Erosion, vor allem durch die Tätigkeit der Gletscher. Wie jung die Berge erdgeschichtlich sind, erkennt man an den schroffen Felswänden, den scharfen Graten und an den tiefen und steilen Tälern mit unausgeglichenem Gefälle. Das Wechselspiel von Hebung und Abtragung mit der Widerstandsfähigkeit und Schichtung der einzelnen Gesteine formt bis heute das Bild der Alpen.
An die in den Himmel ragenden Achttausender des Himalayas kommen die Alpengipfel zwar nicht heran, aber immerhin sind 128 von ihnen mindestens Viertausender. Der höchste Gipfel ist der Mont Blanc in der Schweiz – er schafft 4.810 Meter. Anteil an den Alpen haben Österreich, Italien, Frankreich, die Schweiz, Deutschland, Slowenien, Liechtenstein und Monaco (geordnet nach ihrem Anteil an der Gesamtfläche der Alpen).
Trennung zwischen Nord und Süd
Die Alpen bilden in mehr als einer Hinsicht eine deutliche Trennlinie zwischen Nord und Süd: Besonders was das Klima betrifft, sind sie eine der wichtigsten Klimascheiden Europas, indem sie die atlantische, die pannonische (oder kontinentale) und die mediterrane Klimaprovinz trennen. Aufgrund ihrer Oberflächengestalt zeichnen sich die Alpen selbst durch ein kleinräumiges Klima und Wettergeschehen aus. So macht sich etwa die Alpensüdseite ihren Regen selbst: Ihre gebogene Form am Mittelmeerrand kreiert die Italientiefs, die sie mit Regen und Schnee versorgen. Von höchster Wichtigkeit waren und sind aber die Atlantiktiefs, deren Westwindband Feuchtigkeit in die Alpen bringt. Doch die Wetterküche Atlantik hat sich durch den Klimawandel bereits verändert: Wesentlich mehr Hitze, aber auch Starkregen und gleichzeitig mehr Kaltlufteinbrüche machen den Alpen stärker zu schaffen als anderen Regionen.
Laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien wurde in den österreichischen Alpen im Mittel ein höherer Temperaturanstieg als im weltweiten Vergleich gemessen. Um das zukünftige Klima im Alpenraum abschätzen zu können, stützt man sich auf die Simulationsergebnisse globaler, vor allem aber regionaler Klimamodelle. Und letztere sehen eine beunruhigende Zukunft: Bis etwa zur Mitte des 21. Jahrhunderts ist mit einem Temperaturanstieg im österreichischen Alpenraum von knapp 2°C zu rechnen, bezogen auf die WMO-Normalperiode 1971 bis 2000 (Die Normalperiode ist ein Zeitraum der Klimabeobachtung, der von der Weltorganisation für Meteorologie auf 30 Jahre festgelegt wurde, aktueller Referenzzeitraum der WMO ist 1991 bis 2020.). Die Modellprojektionen zeigen im Jahresmittel eine stärkere Erwärmung in Gebieten wie Südtirol oder in den südlichen Ausläufern des Alpenbogens, ansonsten ist die Temperaturerhöhung relativ homogen über die gesamte Region verteilt.
Die Gletscher schmelzen
Eine der Folgen dieser Erwärmung ist das schnellere und stärkere Abschmelzen der Gletscher im Vergleich zu früheren Warmperioden. Laut Messungen verloren die Alpen-Gletscher seit Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 1980 ein Drittel ihrer Fläche und die Hälfte ihrer Masse. Seit 1980 sind zusätzliche 20 bis 30 Prozent des Eisvolumens abgetaut. Der Gletscherbericht 2020/2021 des Österreichischen Alpenvereins belegt für heimische Gletscher einen durchschnittlichen Rückzug der Eisströme um elf Meter Länge. Diese Abschwächung des mittleren Rückzugs im Vergleich zum Vorjahr (15 Meter) bedeutet aber keinesfalls eine Trendwende. Der Gletscherschwund setzt sich kontinuierlich fort, wenn auch in der aktuellen Messperiode ein wenig gebremst.

Die immer kürzer werdende Gletscherzunge des Schlatenkees in der Venedigergruppe.
- © ÖAV Gletschermessdienst / Roland LuzianDie größte Längenänderung wurde in der Venedigergruppe gemessen, wo sich das Schlatenkees (Tirol) um 54,5 Meter Länge zurückzog.
Selbst der flächenmäßig größte und längste Gletscher der Alpen, der Große Aletschgletscher in den Berner Alpen im Schweizer Kanton Wallis, ist von der Erderwärmung nicht unberührt, auch wenn er aufgrund seiner Fläche und Masse langsamer auf Klimaschwankungen reagiert als kleinere Gletscher. Auf 22,6 Kilometern Länge bewegen sich elf Milliarden Tonnen Eis um einen halben Meter pro Tag Richtung Tal. Und pro Jahr verliert er rund einen Meter an Höhe – derzeit ist der Große Aletschgletscher noch rund 900 Meter dick. Die jüngste Studie der Universität Erlangen-Nürnberg vom Juni 2020 zeigt ein Abschmelzen der Oberfläche zwischen den Jahren 2001 und 2014 um mehr als fünf Meter pro Jahr in den unteren Lagen.
Abschmelzende Gletscher geben naturgemäß umliegendes Gestein und damit Fläche frei, die bisher nur dem Druck und Schleifen der Eismassen ausgesetzt war – Felsen werden destabilisiert, Gerölllawinen und Felsstürze mehren sich. Dafür sind jedoch nicht nur die kleiner werdenden Gletscher verantwortlich, sondern auch das Auftauen des Permafrostbodens sowie die erhöhte Niederschlagsneigung. Freiwerdende Erdschichten werden durch mehr Regen aufgeweicht und rutschen talwärts, während sich gleichzeitig die Permafrostgrenze in höhere Bergregionen verschiebt. In vielen österreichischen Alpendörfern machten die Bewohner daher besonders in den vergangenen Jahren immer öfter leidvolle Erfahrungen mit Murenabgängen, Felsstürzen, Geröll- und Schuttlawinen.
Wo bleibt der Schnee?

Das Stubaital in Tirol ist ein Paradies für Schifahrer und Tourengeher – aber wie lange noch wird es ausreichend Schnee dafür geben?
- © Andre Schoenherr / GettyDer Klimawandel zeigt aber längst auch deutliche Auswirkungen auf Schneelage und Schneemenge. Durch steigende Temperaturen bleibt Schnee im gesamten Alpenraum erst später im Winter liegen und schmilzt im Frühjahr schneller wieder weg. Ein Team des italienischen Forschungsinstituts Eurac Research hat Daten über die Entwicklung der Schneehöhen im Winter aus dem gesamten Alpenraum gesammelt und in eine einheitliche Form gebracht. Die Daten wurden in den Jahren 1971 bis 2019 an mehr als 2.000 Messstationen erhoben (die Studie wurde im März 2021 in der Fachzeitschrift "The Cryosphere" veröffentlicht). Das Ergebnis ist deutlich: Die Schneehöhen haben im Winter (Dezember bis Februar) an 82 Prozent aller Stationen abgenommen, im Frühling (März bis Mai) sogar an 90 Prozent. Je nach Höhenlage verkürzte sich die Anzahl der Tage mit Schnee an den jeweiligen Messstationen in den vergangenen fünf Jahrzehnten um 22 bis 27 Tage in den nördlichen Alpenregionen und um 24 bis 34 Tage in den südlichen Regionen. Dies entspricht für den gesamten Alpenraum einer Abnahme um zehn bis 35 Prozent der Schneetage im Winter und um 30 bis 50 Prozent im Frühling.
Das hat starke Auswirkungen auf den Wintertourismus: Viele Alpengemeinden haben schon früh erkannt, dass man mit den Bergen vor allem im Winter gutes Geld verdienen kann. Skipisten, Pensionen und Hotels und weitere Infrastruktur lockten bald Skifahrer und Tourengeher an – und es wurden immer mehr. Der Massentourismus generierte und generiert regionale Einkommen, schafft Arbeitsplätze und verhindert so zumindest saisonal die Abwanderung. Doch die Kehrseite der Medaille sieht übel aus: Meist profitieren nur einzelne Dörfer oder Gebiete; dem Massentourismus werden sämtliche Lebensbereiche untergeordnet, wodurch oft regionale Eigenheiten zu einer bloßen Show degradiert werden; die Arbeitsbedingungen im Tourismus sind oft wenig attraktiv (ungeregelte Arbeitszeiten, geringe Löhne, viele Saisonarbeitsplätze).
Und schlussendlich leidet die Landschaft: Experten und Umweltschützer laufen mittlerweile Sturm gegen den scheinbar ungebremsten Ausbau von Skigebieten durch neue Pisten, Lifte, Hotels und Straßen. Dazu kommen ein wachsendes Müllproblem sowie eine steigende Lärmbelastung und eine "optische Umweltverschmutzung" durch technische Infrastruktur wie etwa Seilbahnen oder "Hütten" und Hotels an den Pistenrändern. Der weitere Ausbau der touristischen Infrastrukturen stößt bereits in vielen Alpentälern an seine Grenzen, vor allem, da das Flächenangebot per se schon begrenzt ist und Naturgefahren bestimmte Gebiete von vornherein ausschließen oder nur eingeschränkt zugänglich machen. Noch dazu befeuert der Klimawandel die Gefahr von Naturkatastrophen, die in überstrapazierten Gebieten noch dramatischere Auswirkungen haben als in naturnahen, wenig bis kaum genutzten oder zerstörten Arealen.
Es wird eng für Tiere und Pflanzen

Die Murmeltiere sind die Lieblinge der Wanderer – am Großglockner fressen sie den Besuchern sogar aus der Hand.
- © Raimund Linke / GettyMit Sorge sehen Umweltexperten und Biologen auch die Veränderung von Fauna und Flora in den Alpen. Die Landschaft und das Klima haben die Alpen zu einem Lebensraum für Spezialisten gemacht – Tiere und Pflanzen, die sich an Kälte, kurze Sommer, steile Felsen und ein eingeschränktes Nahrungsangebot angepasst haben. Viele Arten sind sogar endemisch, das heißt sie kommen nur in den Alpen vor. Doch der Klimawandel verändert ihren Lebensraum, was das Überleben für viele von ihnen zu einem Kampf macht, den nicht alle gewinnen werden.
Eines der größten Probleme ist allerdings die endliche Höhe der Alpengipfel: Denn wohin sollen kälteliebende Tiere und Pflanzen wandern, wenn sie schon am höchsten Punkt des Berges stehen? In welchen Untergrund sollen Murmeltiere ihre Höhlen graben, wenn es nur mehr Fels und keine Humusschicht gibt? Außerdem machen höhere Temperaturen träge, das heißt Tiere gehen weniger auf Nahrungssuche oder weichen nach oben aus, wo es zwar kühler, allerdings das Nahrungsangebot geringer ist. So haben Experten festgestellt, dass zum Beispiel Gämsen heute magerer sind als noch vor 30 Jahren.
In den hochalpinen Regionen wird es in Zukunft also eng werden, der Konkurrenzdruck steigen: Schließlich wachsen vor allem hochalpine Pflanzen in den meisten Fällen nicht deswegen in diesen unwirtlichen Regionen, weil sie weiter unten mit besseren Bedingungen nicht zurechtkämen, sondern weil Gebiete mit besseren Bedingungen schon von anderen Pflanzen besetzt sind. Wissenschafter schätzen, dass etwa ein Viertel der rund 400 endemischen Pflanzenarten vom Aussterben bedroht ist, weil es zu einer Verdrängung in den Lebensräumen kommen wird.
Konvention zum Schutz der Alpen
Monumente aus Felsen und Eis, Bergwiesen und Seen, zusammengefügt zu einer Kette von Naturwundern, die uns staunen und gleichzeitig demütig werden lassen; doch die Alpen sind ein gefährdetes Paradies. Und man darf die Frage stellen, wie effektiv die "Konvention zum Schutz der Alpen" tatsächlich ist. Der Vertrag wurde 1991 von Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, der Schweiz, Slowenien und der Europäischen Union unterzeichnet und trat 1995 in Kraft. Die Konvention umreißt die Prinzipien und den dringenden Handlungsbedarf in besonderen Umweltbereichen sowie auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, und betont den natürlichen und kulturellen Reichtum der Alpen, ihre Bedeutung für die Bewohner und die Besucher, den Bedarf einer Verstärkung grenzüberschreitender Kooperation sowie die Notwendigkeit, ökologische Erfordernisse bei Wirtschaftsinteressen zu berücksichtigen.
Die Alpen stellen einen unverzichtbaren Lebensraum und letzten Zufluchtsort für viele bedrohte Pflanzen- und Tierarten dar, der durch den ständig wachsenden Druck durch den Menschen und den Klimawandel in seiner ökologischen Funktion immer stärker bedroht ist. Das Gebirge, das scheinbar für die Ewigkeit geschaffen ist, zerbröckelt