Zimmerpflanzen sind heute längst kein Privileg des Adels mehr, sondern haben die Wohnungen und Häuser all derer erobert, die sich gerne mit Gummibaum, Orchidee, Goldfruchtpalme oder Usambaraveilchen umgeben und sie beim Wachsen und Blühen beobachten wollen. Die einst exklusiven Exoten sind mittlerweile Massenware, die sogar in Super- oder Baumärkten für wenig Geld angeboten werden. Doch die schiere Menge und ständige Verfügbarkeit haben ihren Preis: Nachhaltig und ökologisch sind diese Pflanzen nämlich nicht.
Luxus für den Adel
Seit die Entdeckung der Welt in großem Stil vorangetrieben wurde, brachten Abenteurer und Forscher immer wieder viele exotische Gewächse von ihren Reisen in die Karibik, nach Südamerika, Afrika oder Asien mit nach Europa. Diese blieben aber vor allem dem Adel vorbehalten: Die Exoten waren ein anderes, meist wärmeres und feuchteres oder heißes und trockenes Klima gewöhnt, das ihnen hierzulande nur in Gewächshäusern geboten werden konnte – und diese wiederum konnten sich nur Kaiser, Könige und der Hochadel leisten. Doch auch das wohlhabende Bürgertum fand bald Wege, seine Wohnungen und Palais mit exotischen – und meist teuren – Pflanzen zu schmücken: Größere Fensterscheiben, die mehr Licht in die Räume ließen, effektivere Heizungssysteme, die auch im Winter für Wärme sorgten, und Wintergärten oder kleine Gewächshäuser ließen Palmen, Pelargonien und Orchideen gedeihen.
Heute muss man keine Expedition finanzieren oder einen Händler beauftragen, um viel Geld eine besondere Pflanze zu finden, man geht einfach in das nächste Blumengeschäft, Gartencenter oder in den nächsten Bau- oder Supermarkt und kauft eine Phalaenopsis, eine Howea Forsteriana, eine Monstera oder eine Medinilla magnifica und startet seinen privaten "urban jungle". Doch den Preis, der hinter der breiten Verfügbarkeit vieler exotischer Pflanzen und der Leistbarkeit steckt, bezahlen andere – denn nachhaltig ist die Produktion von Drachenbaum, Azalee und Co keineswegs.
Von weit her
Viele Exoten kommen aus einer völlig anderen Klimazone, als sie in Mitteleuropa herrscht. Damit die nachgefragte Menge rasch bereitgestellt werden kann, werden diese Pflanzen meist in mittel- oder südamerikanischen und afrikanischen Ländern gezogen – in Monokulturen. Diese wiederum bedingen den Einsatz von Insektiziden, Pestiziden und Fungiziden, doch deren Verwendung unterliegt in den Anzuchtländern längst nicht so strengen Richtlinien wie in Europa. So manches Pflanzenschutzmittel, das hierzulande verboten ist, wird in den riesigen Übersee-Plantagen immer noch versprüht. Das belastet nicht nur die Pflanzen selbst, sondern auch den Boden, das Grundwasser und die Arbeiter und Arbeiterinnen, die mit der Anzucht beschäftigt sind. Schutzkleidung oder fairen Lohn für ihre mühsame und gesundheitsgefährdende Arbeit gibt es meist nicht.
Sind die Pflanzen bereit für den Transport nach Europa, werden die Pestizide nicht abgespült, sondern kommen mit in die Aufzuchtgärtnereien und letztendlich zum Käufer. Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2014 kam zu dem Ergebnis, dass besonders Pflanzen aus Super- und Baumärkten sowie Gartencentern zu 98 Prozent Rückstände von insgesamt 36 Pestiziden aufwiesen, darunter 13, die hierzulande nicht für Zimmerpflanzen eingesetzt werden dürfen.
Plastik und Torf
Doch nicht nur die Produktion an sich ist problematisch, sondern die gesamte Lieferkette: Viele Pflanzen müssen aufwendig verpackt werden, um den weiten Transport unbeschadet zu überstehen. Kunststoff spielt nicht nur dabei eine große Rolle, sondern auch in Sachen Topf – schließlich können die Pflanzen nicht wurzelnackt verschickt werden. Sind die Pflanzen in Europa angekommen, werden sie für die weitere Aufzucht in größere Töpfe gesetzt; die kleinen Anzuchttöpfe werden meist weggeworfen und im besten Fall dem Recycling zugeführt.

Orchideen in einem Glashaus, bereit für die Verteilung und den Verkauf an den Endkunden.
- © Lorado / GettyBeim Umtopfen muss Erde aufgefüllt werden, und die meisten der verwendeten Substrate enthalten Torf. Dieses Material ist nahezu nährstoff- und salzfrei, leicht, faserig (es kann daher viel Wasser speichern und lässt trotzdem Luft an die Wurzeln) und strukturstabil, da die Humusstoffe nur sehr langsam zersetzt werden. Doch um Torf zu gewinnen, müssen Moore trockengelegt werden, die nicht nur riesige Mengen an Kohlendioxid speichern, das beim Torfabbau freigesetzt wird, sondern auch besondere Pflanzen- und Tierarten beherbergen, die sonst nirgends zu finden sind. Ist ein Moor einmal zerstört, kann es nur schwer renaturiert werden, da die Torfschicht aufgrund des sauren Milieus nur einen Millimeter pro Jahr wächst.
Mittlerweile gibt es allerdings genügend Alternativen für dieses kostbare Material: Torffreie Blumenerden setzen sich meist aus Kompost, Rindenhumus oder Holz- und Kokosfasern zusammen und sind qualitativ ebenso hochwertig wie jene mit Torf. Kokosfasern sind allerdings ebenfalls nicht unproblematisch, denn Kokospalmen werden oft auf Plantagen in gerodetem Regenwald gepflanzt und die Fasern müssen nach Europa gebracht werden – der CO₂-Abdruck ist gewaltig.
Siegel und Pass
Woran orientiert sich der umweltbewusste Konsument nun, wenn er eine nachhaltig gezogene exotische Pflanze kaufen will? Er sucht nach einem Siegel auf seinem zukünftigen grünen Prachtstück – und wird selten fündig. Abgesehen davon, dass der Begriff "nachhaltige Produktion" nicht geschützt ist, sind Pflanzenzucht-Siegel heikel.
Das Fairtrade-Siegel findet man hauptsächlich bei Schnittblumen, aber nahezu nie bei Zimmerpflanzen. Es besagt, dass die Arbeiter im entsprechenden Betrieb Schutzkleidung bekommen, über Risiken informiert wurden, fair bezahlt werden und sich gewerkschaftlich engagieren können. Es geht hier also um die Menschen, aber nicht um die Anbau- und Zuchtbedingungen sowie den Transport der Pflanzen.
Das GGN-Label ist das Verbraucherlabel des internationalen GlobalG.A.P.-Siegels. Es bestätigt, dass die Produkte unter Einhaltung von zertifizierten, verantwortungsvollen landwirtschaftlichen Praktiken produziert wurden, die die Aspekte Lebensmittelsicherheit, Umweltschutz, Tierschutz, soziale Verantwortung und Transparenz der Lieferkette berücksichtigen. Das GGN-Label kann verwendet werden für Obst und Gemüse, gezüchtete Meeresfrüchte und Algen sowie Blumen und Pflanzen.
Die österreichische AMAG.A.P. Zertifizierung (G.A.P. steht für "Gute Agrarpraxis") der landwirtschaftlichen Betriebe ist die Basis für die AMA-Gütesiegel-Produktion. Sie fußt auf den Richtlinien des Internationalen Qualitätssicherungsprogramm GlobalG.A.P. und garantiert, dass die Pflanze in Österreich gewachsen, getopft, sortiert und verpackt wurde.
Das niederländische MPS-Siegel soll garantieren, dass Züchter sowohl auf Umweltaspekte als auch auf soziale Kriterien bei Anzucht, Transport und Aufzucht achten. Welche Schädlings- und Düngemittel eingesetzt werden dürfen, regelt dieses Siegel allerdings nicht.
Nur Bio-Siegel wie Demeter oder das EU-Biosiegel garantieren, dass keine chemisch-synthetischen Dünger, Pflanzenschutzmittel oder Wachstumshemmstoffe (die die Pflanzen anfangs kompakt halten sollen) eingesetzt werden. Doch Betriebe, die Bio-Zimmerpflanzen züchten, sind rar – einen gibt es jedoch in Österreich, nämlich in Guntramsdorf: Dort betreibt Sabine Watzer die Bio-Gärtnerei AustroPalm (www.austropalm.at). Angeboten werden rund 10.000 Pflanzen, die zum Großteil selbst produziert werden und daher an mitteleuropäische Klimabedingungen gewöhnt und angepasst sind, was sie widerstandsfähiger macht. Torffreie Erden und Naturdünger sowie Nützlinge zur Schädlingsbekämpfung beziehungsweise -vorbeugung sind selbstverständlich.
Auch der Pflanzenpass, der auf den Töpfen klebt oder an der Pflanze selbst befestigt ist, ist irreführend, denn er gibt immer nur das Land an, in dem die Pflanze aufgezogen wurde – das tatsächliche Herkunftsland geht aus dem Pflanzenpass nicht hervor.
Aus zweiter Hand
Wer nicht auf seinen "urban jungle" im eigenen Heim verzichten will, aber dennoch auf Nachhaltigkeit besteht, dem seien Secondhand-Pflanzen empfohlen. Jemand aus der Nachbarschaft, eine Freundin oder ein Arbeitskollege haben oft die gewünschte Pflanze und sind bestimmt bereit, einen Ableger, Steckling oder Samen abzugeben. Immer wieder stellt sich auch heraus, dass eine Pflanze im Fall eines Umzugs nicht mitgenommen werden kann, sie braucht also ein neues Zuhause. Oder jemandem wächst seine Pflanzenliebe langsam buchstäblich über den Kopf, die überzähligen Pflanzen wegzuwerfen kommt aber nicht in Frage – gute Gelegenheiten, an seine künftigen grünen Mitbewohner zu kommen. Über Tauschbörsen, das Internet oder Apps gibt es die Informationen, wer etwas abzugeben hat, und damit steht dem Einzug der Wunschpflanze hoffentlich nichts im Weg.

Die Wildform der Medinilla in Madagaskar.
- © Veronique Durruty / GettyÜber die Anforderungen, die eine Pflanze hat, um gesund zu wachsen, hat man sich hoffentlich schon vorher informiert, denn geht die Palme oder die Orchidee schon nach wenigen Wochen wieder ein und man braucht Nachschub, ist das auch wenig nachhaltig, denn dieser muss ja wieder produziert werden – und der ungesunde Kreislauf beginnt von vorn...