Für "Forspoken" braucht man Geduld. Nicht, weil das Spiel so langatmig wäre. (Im Gegenteil: Es ist erfrischend kurzweilig.) Sondern, weil es gerade zu Beginn ein bisschen mühsam ist. Hauptdarstellerin Frey, eine New Yorker Diebin, entgeht zu Weihnachten knapp einer Haftstrafe. Einmal um die Ecke des Gerichtsgebäudes gegangen, wird sie schon von einer Gang gestellt, die ihr Übles will. Sie wehrt sich und kann fliehen, während ihr die bösen Halbstarken noch "Wir werden dich finden!" nachbrüllen.

Ihre Unterkunft ist ein unbewohntes, baufälliges Haus. Dort befinden sich eine Schachtel schlechtes Katzenfutter, die dazugehörige Katze, ein paar Sportschuhe und eine Sporttasche, die zum Bersten voll mit Geldscheinen gefüllt ist. Mit Letzterer will Frey ein neues Leben beginnen, weit weg von der für sie gefährlichen US-Metropole.

Mit Fortschreiten des Spiels wird die Handlung komplexer

Wie das viele Geld zum pathetischen Katzendialog - "Ich kann dir leider nicht das gute kaufen" - passt? Schwer zu sagen. Warum sie nicht schon längst über alle Berge ist? Bleibt offen. Warum sie nicht wenigstens jetzt, im Angesicht der drohenden Gefahr, Geld und Katze packt und abhaut? Nicht nachvollziehbar. Stattdessen legt sie sich auf ein Schläfchen hin - und erwacht in einem Flammeninferno.

Die Gang hat Frey gefunden. Schnell das Geld nehmen, das direkt vor einem liegt. Geht nicht. Stattdessen weist einen das Spiel an, die Katze zu finden. Warum man im Vorbeigehen nicht auch den nützlichen Zaster mitnehmen kann? Unverständlich. Es kommt, wie es kommen muss: Die Katze wird gefunden, und der Raum, in dem sich das Geld befindet, wird ein Raub der Flammen. Na super! Doch schon bald findet Frey einen mysteriösen sprechenden Armreifen, der mit ihr untrennbar verschmilzt und sie in die Fantasiewelt "Athia" katapultiert. Dort wird sie zur letzten Hoffnung auf Rettung vor einer alles vernichtenden Bedrohung.

Wer bereit ist, über die Unzulänglichkeiten der ersten Stunden hinwegzusehen, wird belohnt. Denn mit Fortschreiten des Spiels wird die Handlung komplexer, Helfer entpuppen sich als Gegner, Freys Anwesenheit in der fantastisch zerstörten Welt klärt sich, und letzten Endes steht alles kopf. Auch das Kampfsystem mit Zaubern ist zu Beginn interessant, aber nicht unbedingt abwechslungsreich. Erst im späteren Verlauf erhält man Zugriff auf die meisten Zauber. Ab da entfaltet sich so richtig der Spaß, den auch Nebenmissionen nicht trüben, die eher nebensächlich und angenehm kurz gehalten sind.

Unterhaltsame Dialoge mit einem Armreifen

Standardmäßig finden während des ganzen Spiels Dialoge zwischen Frey und dem Armreifen statt. Die sind grundsätzlich unterhaltsam, teils witzig und informativ. Vor allem tragen sie zur Geschichte bei und lassen die Charakterentwicklung von Frey nachvollziehen. Wen die Unterhaltungen allerdings nerven, der kann diese auch weitestgehend abstellen, muss dann aber in Kauf nehmen, Frey zu einer Figur ohne Tiefen verkommen zu lassen.

Ein Durchschnittsspieler wird für "Forspoken" zwischen 20 und 40 Stunden aufwenden. Wer auch die tausendste Kiste in der offenen Welt finden und knacken möchte, kann mehr Zeit damit verbringen. Diese Kürze eines großen Titels ist grundsätzlich erfreulich. Allzu oft finden sich Spiele im Angebot, die spürbar unnötig in die Länge gezogen werden, weil Entwickler für diese eine Mindestspieldauer von 60 Stunden vorgeben. Eine so verhältnismäßig kurze Spieldauer ist allerdings auch mutig, denn immerhin müssen für "Forspoken" 70 bis 80 Euro berappt werden.•

"Forspoken" ist für Playstation 5 und PC erschienen. Das Testspiel wurde der "Wiener Zeitung" vom Hersteller zur Verfügung gestellt.