Der als "Blaufränkisch Summit" (Blaufränkisch Gipfel) bezeichnete Workshop wurde als Gemeinschaftsevent von der in Wien-Mariahilf ansässigen und auf gereifte Weine spezialisierten Firma "trinkreif", von Lechzürs Tourismus, vom Hotel Almhof Schneider und von der Österreich Weinmarketing GmbH (ÖWM) veranstaltet. Unter den 15 internationalen Experten befanden sich die renommierte britische Weinjournalistin Jancis Robinson, der prominente US-Publizist David Schildknecht, Stephan Reinhardt aus Deutschland, der das weltweit angesehene Weinperiodikum Robert Parker Wine Advocate vertritt, sowie weitere Persönlichkeiten mit bekannten Namen. Zu den österreichischen Teilnehmern und Mitverkostern zählten fünf Sommeliers aus dem Arlberggebiet, zwei Firmenvertreter von "trinkreif", ÖWM-Chef Chris Yorke, vier Journalisten und ein Winzer.

Dass bei einem vollmundig als "Gipfel" ausgegebenen Event nur so wenige österreichische Experten beteiligt wurden, ist zu kritisieren, da die Spitzenvertreter der Blaufränkisch-Betriebe des Landes wie auch weitere kundige Vertreter der österreichischen Weinpublizistik die Veranstaltung mit ihrer Expertise wesentlich hätten bereichern können, noch dazu gibt es deren ohnedies nicht allzu viele. Auch ist die selektive Vorgangsweise bei den Einladungen nicht wirklich nachvollziehbar. Ein Thema wie Blaufränkisch, der Österreichs Paradesorte in Rot ist, ist zu wichtig, um einen angekündigten "Gipfel" zu einer Werbeaktion verkommen zu lassen. Vor allem hätten jene, die es verstehen, der Rebsorte Entzückendes zu entlocken, auch persönlich die Möglichkeit bekommen sollen, vor internationalem Publikum am Diskurs teilzunehmen. Im Gespräch mit ihnen wäre auch zu klären, wie es gelingen kann, mehr Protagonisten an die Spitze heranzuführen, zumal derzeit überhaupt nur eine Handvoll Blaufränkischer international als große Weine konkurrenzfähig sind.

Blaufränkischtraube am Rebstock. 
- © Johann Werfring

Blaufränkischtraube am Rebstock.

- © Johann Werfring

Wie die ÖWM in einer Aussendung bekanntgab, wurde Blaufränkisch von den Workshop-Teilnehmern einstimmig als "große Rotweinsorte der Welt" anerkannt, "denn sie erfüllt jene Parameter, die von einem außergewöhnlichen Rotwein erwartet werden, wie etwa Reifepotenzial, Reflektion des Terroirs, Komplexität, Unverwechselbarkeit und Finesse". Nach der Degustation von mehr als 50 Blaufränkisch-Premiumweinen von 17 Produzenten aus den Jahrgängen 1986 bis 2020 einigten sich die Teilnehmer auf folgende Sortenbeschreibung: "Frische und Säure mit einer präzisen Fruchtigkeit und engmaschigem Körper. Die Aromen entsprechen jenen von dunklen Beeren, gemeinsam mit einer rauchigen Würzigkeit, und zeigen Noten von getrockneten Kräutern".

Was die Teilnehmer laut ÖWM im Lauf der Verkostung immer wieder bestätigten, ist das Vermögen der Sorte Blaufränkisch, ihre Herkunft widerzuspiegeln und sich dabei selbst zurückzunehmen. David Schildknecht, der die österreichischen Verhältnisse gut kennt, erklärte: "Was Blaufränkisch besonders auszeichnet, ist eine Frische und Lebendigkeit, wie man sie sonst nur bei Weißweinen kennt." Ähnlich sieht es auch der dänische Publizist René Langdahl: "Heutzutage ist Frische das entscheidende Merkmal, das uns einen Wein als groß einstufen lässt. (...) Blaufränkisch hat die Fähigkeit, selbst in heißen, sehr trockenen Jahren diese Frische zu zeigen, die aus einer gewissen Vertikalität der Weinstruktur und einer aparten feinen Bitterkeit besteht."

Generell warnen die Experten davor, mächtige, überextrahierte und holzbeladene Weine zu produzieren. "Wir sehen heute eine große Rückwärtsbewegung, weg von Weinen mit Überreife", beschrieb etwa Jamie Goode (wineanorak, Großbritannien) die Entwicklung der internationalen Weinbranche. Dieser Trend sei gerade für die Sorte Blaufränkisch optimal, so Goode. So weit, so gut! ("So weit, so Goode!", möchte man angesichts dieser einfühlenden Worte vermerken). Was Goode zusammenfassend vermerkte, zeugt hingegen weniger von feiner englischer Art: "If you make a wine with 15 % alcohol and a lot of new oak, there is no matter which varietal you use, it is just sh..." (Wenn du einen Wein mit 15 Prozent Alkohol unter reichlichem Holzeinsatz produzierst, dann ist es völlig gleichgültig, welche Sorte es ist, dann ist es nichts als Sch....). An dieser Stelle ist anzumerken, dass heutzutage sowohl unter den Publizisten als auch unter den Produzenten immer wieder einzelne Akteure vermeinen, sich lautstark in Szene setzen zu müssen, um sich selber als Markenzeichen zu stärken.

Hervorgehoben wurde auch das gute Reifepotenzial der Sorte. "Noch nie habe ich einen Blaufränkisch getrunken, der in seinen ersten zehn Jahren besser war als danach", erklärte Clemens Riedl von der auf gereifte Gewächse spezialisierten Weinhandelsfirma "trinkreif". Freilich ist das eine – auf Firmenphilosophie beruhende – extreme Aussage, da ein Spitzenblaufränker auch jung gut zu trinken ist und das als optimal empfundene Reifestadium immer eine Frage des Geschmacks ist. Wer Primäraromen liebt, wird die Weine gerade in den ersten Jahren als besser empfinden, wohingegen es auch Weinfreunde gibt, die darauf warten, bis sich die Sekundäraromen gebildet haben.

Die internationale Einordung der Sorte Blaufränkisch ist mittelfristig noch unklar. Jancis Robinson schreibt unter dem Titel "Blaufränkisch – what sort of future?" in ihrer Nachbetrachtung zu der am Arlberg stattgefundenen Veranstaltung: "Things do seem to be changing in Austria. But I’m still not sure how long it will be before Blaufränkisch joins the grape greats." (Die Dinge scheinen sich in Österreich zu ändern. Aber ich bin mir immer noch nicht sicher, wie lange es dauern wird, bis der Blaufränkische zu den großen Rebsorten zu zählen ist.). Damit ist auch impliziert, dass eine höhere Anzahl von Spitzenweinen der Sorte Blaufränkisch in dieser Hinsicht förderlich wäre.

Abschließend noch drei Statements zum "Wesen des Blaufränkischen" von nicht beim "Gipfel" anwesenden Winzern aus dem nördlichen, dem mittleren und dem südlichen Burgenland, deren Blaufränkische zum Besten zählen, was das Land aufzubieten hat:

JOHN NITTNAUS (Gols): "Der Blaufränkische ist in feiner Ausbauweise feinmaschig, spannungsgeladen, vital und vielschichtig, er weist eine komplexe Frucht auf, wobei die Aromen von dunkelbeerig über heidelbeerfruchtig bis hin zur Rotbeerigkeit ein beachtliches Spektrum ermöglichen. Die Sorte bringt auf Schiefer, Kalk und Lehm recht unterschiedliche, aber immer spannende Varietäten hervor. Sie spielt ihre Stärke in der Jugend wie auch in gereiftem Stadium aus."

FRANZ REINHARD WENINGER (Horitschon): "Der Blaufränkische ist von Struktur und Säure geprägt, er ist zurückhaltend und tiefgründig. Er ist ein starker Charakter und in gewisser Hinsicht ein Sturschädel. Man muss ihm nach und nach auf die Spur kommen. Hat man ihn erst einmal verstanden, dann ist er vollauf überzeugend."

UWE SCHIEFER (Welgersdorf): "Der Blaufränkische ist eine edle Sorte mit Struktur, Dichte und Langlebigkeit. Er hat eine höchst eigenständige Persönlichkeit und ist punkto Lage, Boden, Rebpflege, Erntezeitpunkt sowie Ausbauart höchst anspruchsvoll. Es gibt nur wenige, die ihn beherrschen."

Print-Artikel erschienen am 10. Februar 2023
In: "Wiener Zeitung", Beilage "Wiener Journal", S. 22–23