23 Bezirke – 23 Honige: Das ist das Motto der Wiener Bezirksimkerei. Als Matthias Kopetzky seine Erwerbsimkerei 2013 gründete und die ersten Bienenstöcke auf dem Dach seines Meidlinger Büros ansiedelte, war er mit der flächendeckenden Honigproduktion in Wien schon fast so etwas wie ein Pionier. Bis man alle Bezirke beisammen hatte, vergingen rund drei Jahre. Nun haben die insgesamt 350 Völker an mehr als 50 Standorten in Wien einen festen Wohnort – Pollen und Nektar sammeln sie in den Baumalleen des ersten Bezirkes, in Weingärten oder Parkanlagen. Nachdem sie die Bestäubung im gesamten Stadtgebiet sichergestellt haben, kehren sie zurück zu ihrem heimatlichen Bienenstock, der sich überwiegend auf Hausdächern befindet.

Vom herb-süßen "Innenstädter" über den würzigen "Favoritner" bis hin zum eher süßen "Liesinger" haben all ihre Honige eine individuelle Note. Seit Unternehmensgründung hat sich das Produktangebot der zertifizierten Bio-Imkerei zum Beispiel um die Honig-Essig-Mischung "Oxymel" erweitert, der zahlreiche gesundheitliche Vorteile nachgesagt werden. Auch Pollen sind als "heimisches Superfood" im Sortiment, da sie positive Auswirkungen auf das Immunsystem haben können.

Klimawandel und andere Probleme

Im Vordergrund steht aber natürlich der Honig selbst, die Bienenvölker der Erwerbsimkerei produzieren davon pro Jahr rund vier bis fünf Tonnen. Was nach viel klingt, ist in Wirklichkeit ernüchternd. In den ersten Betriebsjahren war der Wert noch wesentlich höher. Schuld daran sind unter anderem die langen Trockenphasen und schlechten Nektarerträge des Lindenbaumes, die zum Beispiel für die Produktion von Sommerhonig genutzt werden. Ein Problem, das durch die steigende Bodenversiegelung intensiviert wird, da Regenwasser somit nicht die Möglichkeit hat, im Boden zu versickern und Pflanzen zu nähren.

Es könnte so schön sein: saftige Wiesen, blühende Blumen, im Sommer Sonne und im Winter Schnee. Leider macht uns der Klimawandel einen Strich durch die Rechnung. Auch die eingeschleppte Varroa-Milbe schadet der Honigbiene. Sie befällt nicht nur die Brut, sondern durchlöchert auch den Bienenpanzer, um sich von den Körperflüssigkeiten der Biene (der Hämolymphe) zu ernähren. Die eindringenden Bakterien und Viren kann sie aufgrund ihres schwach ausgeprägten Immunsystems nicht abwehren, ohne mehrmalige Behandlung durch den Imker geht das Volk zugrunde. Die steigenden Temperaturen sind in diesem Fall besonders brenzlig: Das frühlingshafte Wetter im Jänner sorgte teilweise dafür, dass die Bienen bereits ausschwärmten und ihre Winterruhe nicht einhielten. Da die Pollen- und Nektarsuche zu dieser Zeit meist vergeblich ist, verlieren die Bienen an Energie. Parasiten haben in einem geschwächten Volk ein noch leichteres Spiel.

Inwiefern sich schädliche Umwelteinflüsse wie Pestizide, Mikroplastik oder Schwermetalle auf Bienen auswirken, kann gemessen werden und wird beispielsweise aktuell im EU-teilgeförderten "Insignia-Projekt" erforscht. Matthias Kopetzky, der sich in diesem Forschungsprojekt engagiert, erklärt: "Die Bienen filtern aus dem Honig alles Schädliche heraus. Wesentlich sensibler sind zum Beispiel die Pollen. Auch das Wachs ist als Fett sehr gut dafür geeignet, um Schadstoffe aus der Umwelt zu binden."

Die "wilde Schwester" der Honigbiene

Osmia cornuta, die Gehörnte Mauerbiene, ist eine der auffälligsten und häufigsten Wildbienenarten. 
- © Geza Farkas / stock.adobe.com

Osmia cornuta, die Gehörnte Mauerbiene, ist eine der auffälligsten und häufigsten Wildbienenarten.

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Was der Honigbiene schadet, ist auch für andere Insekten von Nachteil. Besonders bedroht sind die in Österreich heimischen Wildbienen, von denen es rund 700 verschiedene Arten gibt (zum Beispiel Hummeln). Schwindender Lebensraum durch Flächenverbrauch vertreibt sie aus den großen Ballungsräumen. Da sie überwiegend im Boden nisten, bedeuten landwirtschaftliche Bodenbeackerung und chemische Spritzmittel für sie den Tod. Mit fatalen Folgen, denn auch die Wildbiene ist für die Bestäubung zahlreicher Pflanzen zuständig, manche Arten sind sogar auf eine Pflanzenart spezialisiert. Stirbt sie aus, kann sich das dramatisch auf das Nahrungsangebot auswirken.

Das Leid der Wildbiene ist jedoch nicht vielen Menschen bewusst. Das soll sich ändern, zum Beispiel durch die "Arbeitsgemeinschaft Bienenvielfalt". Diese Vereinigung wurde vom Dachverband der österreichischen Imkerverbände ("Biene Österreich") gegründet und möchte auf die Belange der Wildbiene, die im öffentlichen Diskurs oft zu kurz kommt, aufmerksam machen. Insbesondere die Zusammenarbeit zwischen Wildbienenexperten und Imkern soll forciert werden.

"Es herrscht viel Unwissen: Imker glauben oft, dass Wildbienenvertreter die Honigbiene vertreiben wollen. Diese denken wiederum, dass Imker sich nur für die Honigproduktion interessieren und die Bienen ausbeuten möchten. Hier ist eine offene Gesprächsbasis wichtig, denn die Interessen beider Gruppen überlappen sich zu 90 Prozent. Wenn man etwas Gutes für die Honigbiene tut, hat das auch positive Auswirkungen auf andere Bestäuber", erläutert Daniel Pfeifenberger, Imker aus Salzburg und Projektleiter bei Bienenvielfalt. Insbesondere die fachlich hochwertige Wissensvermittlung ist ein Anliegen, die Wildbiene soll in Bildungsprogrammen stärker in den Vordergrund rücken. Kinder früh für die Thematik zu sensibilisieren, ist ein weiteres Ziel der Arbeitsgemeinschaft.

Die Honigbiene hat einen guten Ruf: Sie bestäubt rund 80 Prozent der Kulturpflanzen, sticht nur im Notfall und interessiert sich – anders als Wespen – nicht für unser Mittagessen. Wie die Arbeitsgemeinschaft nutzt auch das Unternehmen "Hektar Nektar" das positive Image der Honiglieferantin, um auf die fatalen Lebensumstände ihrer "wilden Schwester" hinzuweisen. Gegründet wurde es 2017 von den Brüdern Mark und Martin Poreda, seither ist es als digitaler Marktplatz tätig. Hier werden vorrangig Imkerzubehör und Bienen regionaler Züchter mittels bienenfreundlichem Lebendtiertransport verschickt. Daneben setzt sich "Hektar Nektar" unter anderem für Insektenschutz ein: "Seit den 1990er Jahren haben wir in Mitteleuropa einen Rückgang von Honigbienen um 40 Prozent. Diese sind nicht vom Aussterben bedroht, aber dennoch stellt das ein Bestäubungsproblem dar", erklärt die Geschäftsführerin Miriam Walch. Zudem wurde 2018 das "Projekt 2028" gestartet: Innerhalb von zehn Jahren soll die Bienenpopulation in Österreich und Deutschland um zehn Prozent gesteigert werden. Zu diesem Zweck werden Unternehmen gewonnen, die zum Beispiel fünf Bienenvölker (entspricht rund 250.000 Bienen) auf ihrem Betriebsgelände aufstellen. Bisher konnte auf diese Weise ein Zuwachs von 90 Millionen Bienen im DACH-Raum bewirkt werden.

Neben der lokalen Bestäubung wird dadurch auch die Imkerei unterstützt: 8.200 Imker (davon etwa 48 Prozent Frauen) sind in der Imkercommunity von "Hektar Nektar" vertreten und managen die Bienenstöcke der Unternehmen. Tue Gutes und rede darüber, das ist das Motto: "Unternehmen haben viele Stakeholder. Wir wollen, dass sie ihr Engagement nach außen tragen", meint Miriam Walch. Im Endeffekt gehe es um Insekten- und Artenschutz: "Wenn ich ein Umfeld kreiere, das gut für die Honigbiene ist, dann schaffe ich auch für die Wildbienen gute Lebensbedingungen."

Einige Wiener Hotels bieten den Bezirksbienen ein Zuhause, so auch das Dach des NH Danube City Hotels. 
- © wienerbezirksimkerei

Einige Wiener Hotels bieten den Bezirksbienen ein Zuhause, so auch das Dach des NH Danube City Hotels.

- © wienerbezirksimkerei

Wie kann das gelingen? Die aktuell moderne Gartengestaltung sollte überdacht werden: Forsythien oder Thujen mögen für viele schöne Pflanzen sein, doch sie produzieren weder Nektar noch Pollen und sind daher für Insekten nicht optimal. Sinnvoll sei es zum Beispiel, den Mähroboter öfter stehen zu lassen und zeitversetzt zu mähen, Nisthilfen für Wildbienen (etwa Steinhaufen oder aufgeschichtetes Totholz) zu errichten und auch etwas blühen zu lassen, rät Matthias Kopetzky, der sich als Teammitglied der Arbeitsgemeinschaft für die Wildbiene stark macht. Ihre spezielle Pflanzendatenbank (zu finden unter bienenvielfalt.at) listet zahlreiche Pflanzen von A bis Z, ihre Pollen- und Nektarmenge, ihren Pflegeaufwand sowie die jeweilige Blütezeit auf und liefert damit Anhaltspunkte für die Bepflanzung von Garten oder Balkon. Besonders empfehlenswert sind etwa heimische Gewächse wie Lavendel, Efeu, Majoran oder die Pflanze mit dem bezeichnenden Namen "Bienenfreund".

"Hummeln haben einen Lebensradius von nur 100 bis 300 Meter. Man bräuchte also eigentlich alle 200 Meter einen Nistplatz und Nahrungsangebot, damit sich die Insekten verbreiten und vermehren können. Auf einem 400 Meter langen, zubetonierten Supermarktparkplatz findet kein Austausch und Lebensraum mehr statt", betont Daniel Pfeifenberger. Zum Vergleich: Der Flugradius der Honigbiene beträgt bis zu drei Kilometer. Ratsam wäre es aus seiner Sicht daher, die von uns beanspruchte Fläche durch wilde Hecken oder Sträucher aufzulockern und sie wieder mit der Natur zu teilen. Auch hier kann der Einzelne bereits viel bewirken.