Ein Interview mit dem Teufel ist ein heikles journalistisches Projekt. Weder darf der Ort des Treffens bekanntgegeben werden, noch ein Fotograf anwesend sein oder ein Aufnahmegerät laufen.

Außerdem besteht bei dem zeitgenössischen Nichtraucherwahn die Gefahr, dass der leichte Schwefelgeruch, der meinen Gesprächspartner umgibt, auffällt, weswegen der Ort des Treffens sorgfältig gewählt sein muss, ein Platz, an dem man es mit den einschlägigen Vorschriften nicht gar so genau nimmt und an dem Generationen von Rauchern einen so hartnäckigen Gestank hinterlassen haben, dass unser Gespräch in aller Ruhe stattfinden kann.

Als wir uns endlich in einem alten Wiener Kaffeehaus, dessen Namen hier unerwähnt bleiben muss, gegenüber sitzen, lege ich ohne lange Einleitung mit einer ersten Frage los. Am 13. August des Jahres 1986, sage ich und krame in meinen Unterlagen, fand im Vatikan eine Homilie statt, eine der inoffiziellen Aussprachen mit dem Papst, bei der Johannes Paul II. sagte: "Satans geschickter Plan in der Welt besteht darin, die Menschen zu veranlassen, seine Existenz zu leugnen im Namen der Rationalität oder auch jeden anderen Denksystems, das zu allen nur möglichen Ausflüchten greift, um nur sein Wirken nicht eingestehen zu müssen." Das eigentlich Teuflische am Teufel bestehe also darin, so zu tun, als gäbe es keinen Teufel. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

"Gar nicht schlecht", antwortet mein Gegenüber mit einem bescheidenen Lächeln. "Ich habe den braven Woytila immer sehr gemocht, sein Scharfsinn überrascht mich aber trotzdem."

Im Gegensatz dazu, setze ich sofort nach, äußert Alfonso di Nola, Professor für Volkskunde an der Universität Neapel, in seinem Standardwerk "Der Teufel" den entgegengesetzten Gedanken: "Betrachtet man die Teufel einmal ganz nüchtern, sind sie ein Nichts, in sichtbare fantastische Gestalten umgesetzte Projektionen, die den Konflikt des Menschen mit seinen historischen oder natürlichen Bedingtheiten zum Ausdruck bringen. Der Mensch empfindet Natur und Geschichte als feindselig und bedrohlich und überträgt diese Eigenschaften auf imaginäre, teuflische Gestalten." Wem, bitte, soll ich nun glauben, frage ich im forschen Ton des investigativen Journalisten.

Die Antwort ist ein langes, bedächtiges Seufzen. Das sei doch klar. Ganz abgesehen davon, dass es schwierig sei, ein Interview mit einem Nichts zu führen, warum schreibe dann der gelehrte Mann in seinem Standardwerk fast fünfhundert Seiten über dieses Nichts? Nein, sagt mein Gegenüber, ihm stehe der wackere Papst um vieles näher als irgendwelche Männer der Wissenschaft, die eine allzu hohe Meinung von ihrem Verstand hätten. Außerdem sei Herr Di Nola Marxist gewesen, ob mir dieser Umstand entgangen sei.

Werwölfe

Ich überhöre den Einwand und schieße meine nächste Frage nach: Krankheiten, Unfälle, Kriege, Wirbelstürme, explodierende Atomkraftwerke - ist das also alles sein Werk? Oder gibt es da etwas, das man rational erklären kann?

Naja, lautet die Antwort, man dürfe die Sache auch nicht zu sehr vereinfachen. Auch der Professor spreche von Projektionen. In dieser Branche drücke man sozusagen das Böse ganz allgemein aus. Das sei schon ein wenig subtiler als jeden einzelnen Verkehrsunfall persönlich zu verursachen. Es gehe mehr ums Prinzip.

Ich sehe, dass er ausweichen will, und beschließe, methodisch vorzugehen. Rein historisch gesehen, sage ich und versuche, zu einem dozierenden Ton überzugehen, gibt es die Idee von dämonischen Kräften, die dem Guten entgegengesetzt sind, schon in weit zurückliegenden Zeiten. Die Werwölfe im fernen Russland, zum Beispiel, die schon der griechische Historiker Herodot erwähnt, das Volk der Neuren, dessen Angehörigen die Fähigkeit nachgesagt wurde, sich einmal im Jahr in Wölfe verwandeln und in diesem Zustand sogar Sonnenfinsternisse bewirken können. Oder die Vampire, die nach altem serbischen Volksglauben, den Gräber entsteigen, um den Lebenden zu schaden.

"Das sind doch Kindereien", wirft mein Gegenüber ein, "gerade gut genug für Hollywood. Ich muss schon sehr bitten."

Ich lasse mich nicht irritieren, immerhin habe ich recherchiert und fahre daher fort: Bei römischen Ausgrabungen hat man unzählige "Tabellae" gefunden, kleine Täfelchen, in denen die Unterwelt beschworen wurde, um den Lebenden zu schaden, etwa männliche Zeugungsfähigkeit oder weibliche Schönheit zu zerstören. Und was ist mit den bösen Töchtern des indischen Gottes Rudra, die Wut, Angst und Krankheit verkörpern? Oder mit den bösen Kobolden in China, die gegliedert sind in Irrlichter, Leichenfresser, Berggeister, Sumpfdämonen, Seuchendämonen, Dürregöttinnen und die Seelen von Verstorbenen? Im alten Babylon, fahre ich fort, kannte man den Dämon Ti’u, der sich vor allem in heftigen Kopfschmerzen bemerkbar machte, gegen die nur eine energische Teufelsaustreibung half.

"Wo doch heutzutage", wirft er sarkastisch ein, "jeder irgendwelche Tabletten schluckt. Da müsste sich ein Teufel ja zu Tode langweilen, Exorzismus auf Krankenschein."