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Manchmal wird ein (erhofft entspannter) Flug zu einem wahren Canossagang. Beispielsweise wenn bei einem rund fünfstündigen Mittelstrecken-Flug ein gut situiert aussehendes älteres Ehepaar in der Reihe vor einem Platz nimmt, die im Dutyfree erworbene Schnapsflasche zückt und beginnt, sich sukzessive unter das Klapptischchen zu trinken. Enthemmt durch den Alkoholkonsum, beginnt das betagte Pärchen, offenbar über Jahrzehnte angestaute Schmutzwäsche zu waschen. Lautstark und intensiv. Umsitzende Passagiere, die zaghaft versuchen, die im Rosenkrieg Vertieften zu beruhigen, werden mit angepöbelt.
Wenn es während eines Flugs zu einem Radau kommt, so ist dies ein potenzielles Sicherheitsrisiko – und meist ist Alkohol im Spiel. Immer wieder hört und liest man von Zwischenfällen: So musste etwa im Oktober 2009 eine Maschine der rumänischen Blue Air zwischenlanden, weil ein betrunkener Passagier an Bord randalierte. 2010 musste Ryanair in Bremen den Start abbrechen und den renitenten Unruhestifter von der Polizei von Bord holen lassen. Als im Jänner 2013 ein sturzbetrunkener Isländer am Flug von Reykjavik nach New York Passagiere bedrohte, leitete der Pilot drastische Maßnahmen ein: Der Radaubruder wurde mit Paketklebeband an den Sitz gefesselt und geknebelt – und am JFK von der Polizei festgenommen.
Als eine von wenigen Airlines bekennt sich die russische Aeroflot zu diesem Problem. Aeroflot-Generaldirektor Witali Saweljew teilte Ende Februar 2013 via Twitter mit, die Fluglinie führe eine interne schwarze Liste mit insgesamt 1821 auffälligen "Pöbel-Passagieren". Und dennoch muss die Aeroflot auch diesen Leuten weiter Tickets verkaufen. "Meiner Meinung nach sollten alle Fluglinien gemeinsame schwarze Listen führen. Dies und hohe Strafen wären der richtige Weg", so Saweljew.
Die Vereinigung Cockpit (www.vcockpit.de), der deutsche Berufsverband der Piloten und Flugingenieure, warnt: "Alkohol, Erschöpfung, viele Menschen auf engem Raum: Da gehen bei einigen die Sicherungen durch", meint Markus Kirschneck. "Die Zahl der Fälle nimmt seit Jahren zu, auch durch die immer größere Zahl der Billigflüge." Die Vereinigung Cockpit fordert, dass Aggressivität im Flugzeug ein Offizialdelikt und somit staatsanwaltschaftlich verfolgt wird und bemängelt, dass die Zahl der Übergriffe von aggressiven Passagieren nirgends erfasst wird. Kirschneck: "Es sind erschreckend viele. Doch Fluggesellschaften neigen dazu, das Problem zu verharmlosen. Und das Personal wird immer seltener richtig vorbereitet."

Kommunikations-Schulungen. Wie gehen die Airlines nun im Fall des Falles vor? Die Airberlin-Niki-Group betont auf Anfrage in professionellem PR-Jargon, dass Sicherheit höchste Priorität genieße und die Flugbegleiter dafür verantwortlich seien.
Kathrin Zirkel von der Airberlin-Unternehmenskommunikation: "Die Crew
wird nicht nur für den Service, sondern auch umfangreich zum Thema Passagier-Sicherheit geschult. Dazu gehört unter anderem ein umfangreiches Kommunikationstraining – speziell auch für Situationen mit übermäßigem Alkoholkonsum oder emotionalen Reaktionen." 
AUA wie Lufthansa betonen vor allem ihre umfangreichen Bemühungen, dass betrunkene Passagiere erst gar nicht den Flieger betreten – mit Hilfe des zuständigen Bodenpersonals. Lufthansa-Pressesprecher Michael Lamberty: "Es geht darum, dass Fluggäste, die mit einiger Wahrscheinlichkeit während des Fluges zu Konflikten führen könnten, nicht an Bord gelangen!"
Alkoholisierte Fluggäste widersprechen offiziell den allgemeinen Beförderungsbedingungen der Airlines. Und auch laut Luftrecht (JAR-OPS 1) "darf der Luftfahrtunternehmer keiner Person gestatten, ein Flugzeug zu betreten oder sich dort aufzuhalten (...), wenn diese die Sicherheit des Flugzeugs oder der Insassen gefährden kann." Bemerkung am Rande: Wird einem Passagier der Flug wegen einer Alkoholfahne verweigert, hat er natürlich keine Chancen, das Geld für sein Ticket zurückzubekommen.
Kommt es nun trotz aller Maßnahmen dazu, dass ein Fluggast während des Fluges renitent wird, greift die (geschulte) Crew zunächst schlichtend ein. Nützen alle Vermittlungsversuche nichts und ist ein Fluggast nach mehrmaliger Aufforderung immer noch verhaltensauffällig, können die Flugbegleiter eine "offizielle Verwarnung" aussprechen. In letzter Instanz wird der Kapitän eine Zwischenlandung und den Ausstieg des Gastes bzw. die Übergabe an die örtliche Polizei veranlassen. Was für den "ausgeladenen" Flugpassagier teuer werden kann, denn die Airline wird versuchen, ihn für die entstandenen Mehrkosten – und die sind gewaltig! – zu belangen.