Wie viele Kunden heute da waren im Keller-Lokal in der Nelkengasse? Ali Bechstein zählt die Gläser. "Sechzig werden es gewesen sein", sagt er lächelnd. Jedem, der die Stiegen runterklettert, wird Rosé-Sekt offeriert. Egal, ob er schon einmal da war oder nicht. Das schafft eine lockere Atmosphäre inmitten der Sessel und Lampen, Sofas und Utensilien, die vor 60 oder mehr Jahren neu waren.

Seit vier Jahren bilden Lindenberg und Bechstein eine geschäftliche Partnerschaft, seit Dezember 2011 betreiben sie ihre "Vintagerie" nächst der Mariahilfer Straße. "Wir wurden von Anfang an anerkannt und akzeptiert", sagt Lindenberg, dem der Standort in die Hände spielt. "Als Designhändler bist du Nahversorger für Leute, die hier leben und arbeiten. Im sechsten, siebenten Bezirk gibt es viele Architektur- und Grafikbüros." Selbständige und Freiberufler seien auch die kaufkräftigsten Kunden. "Und Studenten, die mit den Eltern kommen."

Was hauptsächlich gesucht wird? "Der Trend geht eindeutig zu österreichischer Ware", sagt Lindenberg. "Auböck ist plötzlich auch wegen des Entwurfs interessant, Lampen von Kalmar und Nikoll sind ebenso gefragt wie Kristallluster von Lobmeyr und Bakalowits. Freilich sind das keine Billigprodukte." Gefragt sei auch "Industrial Design", das manche mit "rostiges Klumpert aus einer Fabrik" umschreiben würden. Und natürlich Möbel aus Skandinavien. "Die Leute kaufen die Basics bei Ikea – ein Bett, einen Kleiderschrank", sagt Bechstein, "aber das Sofa und die Kommode suchen sie bei uns. Das Bild fügt sich gut, wenn man Modernes mit Möbeln aus den 50er, 60er und 70er Jahren zusammenmischt." Lindenberg wirft ein: "Sortenreine Räume, also alles aus einem Guss, sind passé."

Buntes Plastik aus den 70er und 80er Jahren wird man in der Vintagerie kaum finden. "Die Kunststoff-Möbel wurden schon in Massenproduktion hergestellt und sind sehr bruchanfällig", sagt Lindenberg. "Deshalb sind sie für einen Lebensstil, wo man sie effektiv verwendet, nicht geeignet." Auch mit dem Jugendstil kann sich der Wiener nicht anfreunden, mit den Ungetümen von Chef-Schreibtischen noch weniger. "Die braucht kein Mensch mehr. Man muss sich nur anschauen, wie klein PCs und Fernseher geworden sind."

Während Bechstein zu 100 Prozent im Geschäft arbeitet, widmet sich Lindenberg zu 80 Prozent dem Einkauf. Dabei beschreitet er auch ungewöhnliche Wege, die ihn zum Beispiel nach Frankreich führen. "Ich bin immer auf der Suche nach kuriosen Sachen, die man sonst nirgendwo bekommt." Vom letzten Ausflug kam er mit einem hellblauen Garten-Set von der Côte d’Azur zurück. "Und auf den Klappsesseln steht auch noch Côte d’Azur drauf. So ein Glück muss man erst einmal haben."