Wer sich gerne in "Große Abendkleidung" wirft, hat nun die beste Gelegenheit, dies im Kreise Gleichgesinnter zu tun: Die Ballsaison ist voll ausgebrochen, und Smoking, wenn nicht sogar Frack, sind auf den großen Tanzveranstaltungen für den Herrn Pflicht. Ob es nun darum geht, gesellschaftliche oder geschäftliche Kontakte zu pflegen und neue zu knüpfen, die ersten Schritte auf dem Parkett zu tun oder einfach den Abend und vielleicht die Nacht bei Sekt, Tanz und Plauderei zu genießen – es kommt immer auch darauf an, mit dem eigenen Auftritt einen festlichen Rahmen passend auszufüllen; andernfalls fällt man eben aus demselben, und das wollen gerade in Wien die wenigsten.
Was für die Damenwelt jedes Jahr eine gewaltige Herausforderung darstellt, sollte dem Mann von Welt weniger Kopfzerbrechen bereiten: die Wahl der entsprechenden Garderobe. Noch nie stand auf einer der Gesellschaftsseiten zu lesen: "Er trug denselben Frack wie im vergangenen Jahr." Wer also nicht gerade "zur Szene" zählen will, in seinen Zunamen eine zweites "Ö" eingefügt hat oder sonst als schrill gelten muss, kann ruhigen Gewissens alljährlich in das Gewohnte schlüpfen, wenns nicht schon um die Körpermitte zwickt. Falls jedoch im Kleiderschrank nichts Passendes zu finden ist, steht ein Gang zum Herrenausstatter an. Und das erfordert, je nach Adresse, eine entsprechend gut gefüllte Brieftasche.
"Mit 600 bis 1000 Euro sollte man bei uns auskommen", überschlägt Josef Dolzer die Kosten für eine komplette Frack-Ausstattung von den Lackschuhen bis zur Fliege. "Der Frack ist für gesellschaftliche Höhepunkte reserviert", sagt Dolzer, der fast zwanzig Jahre lang die Geschicke des Wiener Traditionshauses Teller lenkte. Zwar führt seine Tochter Katharina seit einem Jahr die Firma, aber der Herr Papa steht trotzdem jeden Tag im Geschäft. Dolzer meint, seit einiger Zeit einen Trend zu mehr Eleganz auszumachen. "Frack trägt man heute nicht nur am Opernball, wo er Pflicht ist, sondern zunehmend auch bei anderen Hofburgbällen wie am Ärzteball." Manche Tanzschulen würden für die Eröffnung ihrer Kränzchen den jungen "Herren" bereits Smoking vorschreiben. Daher bietet sein Haus auch sogenannte Jugendsmokings an, die weniger als die Hälfte der Erwachsenenausführung kosten – "man wächst ja schnell draus".Auch auf Hochzeiten gehe es in jüngster Zeit eleganter her als früher, meint Dolzer. "Es wird zwar heute weniger geheiratet, aber die Brautleute geben dafür mehr Geld aus." Oder ihre Eltern: Im Schloss anstatt im Gasthaus, im Frack anstatt im Anzug. Daneben sei zu beobachten, dass der Bräutigam sich farblich auf seine künftige Ehefrau abstimmt: Trägt sie ein elfenbeinfarbenes Kleid zur Hochzeit, so ist sein Frackhemd oder das Plastron in demselben Ton gehalten. Diese Entwicklung hat bei Teller zu einer Erweiterung des Sortiments geführt: Seit zwei Jahren wird hier Brautmode angeboten, "um den Bräutigam als Kunden nicht zu verlieren".
