Zwei Mal in der Woche fährt Landwirt Josef Hirsch aus der niederösterreichischen Gemeinde Harmannsdorf mit seinem Lastwagen nach Wien, um seine Erdäpfel zu verkaufen. Bisher konnte er um diese Jahreszeit noch die Restbestände aus seiner eigenen Ernte vom Herbst des Vorjahres anbieten. Im heurigen Jahr musste er zum ersten Mal Ware von anderen Kartoffelbauern in der Umgebung zukaufen, um seine Kundschaft versorgen zu können. Der Grund dafür ist die Trockenheit, die bei den Wein- und Waldviertler aber auch bei den oberösterreichischen Landwirten schon im vergangenen Jahr für Ernteausfälle gesorgt hat. In diesem Jahr ist es noch früher und noch ausgeprägter trocken als im vergangenen Jahr.
Schuld an der geringen Niederschlagsmenge ist ein Hochdruckgebiet über Skandinavien, das auch im den vergangenen beiden Jahren schon in ähnlicher Form vorhanden war, sagt Klaus Haslinger, von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). "Wir sind jetzt gerade einmal Mitte April, das kann sich also noch ändern. Wenn es sich nicht ändert, dann kann die Situation so werden, wie in den vergangenen Jahren", sagt Haslinger.

Für die Landwirtschaft würde das Ernteausfälle bei fast allen Kulturen bedeuten, von den Wintergetreidesorten wie Weizen oder Gerste angefangen, über Erdäpfel und Zuckerrüben, bis zu den Sommergetreidesorten wie Mais oder Dinkel. "Eine Schätzung der Erträge zu diesem Zeitpunkt wäre unseriös. Was man aber schon sagen kann ist, dass die Ernte auch heuer knapp ausfallen wird", sagt der Leiter der Fachabteilung Pflanzenproduktion der Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Manfred Weinhappel.

Ein Licht am Ende des Tunnels
Bisher gab es heuer im April in Niederösterreich 70 Prozent weniger Niederschlag als normalerweise. Diese Berechnung basiert auf den Aufzeichnungen der ZAMG zur durchschnittlichen Niederschlagsmenge im Zeitraum 1981 bis 2010. Die höheren Temperaturen in Kombination mit einer Verschiebung der Niederschläge führen zu einer geringeren Grundwasserneubildung, bestätigt eine Studie des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus. "Man kann sich die Erde wie eine Sparkassa vorstellen. Da gibt es gewisse Wasservorräte, die sich die Pflanzen abholen. Umso mehr Trockenjahre man hintereinander hat, umso weniger kann sich die Pflanze holen", sagt Weinhappel. Betroffen sind vor allem die Wintergetreidesorten Weizen und Gerste, denn diese sind im Moment mitten in der Ährenbildung. "Ein Weizen, der bei normalem Niederschlag fünf Ähren gebildet hat, bildet heute nur mehr zwei bis drei Ähren", erklärt der Landwirt Hirsch. Außerdem wirke sich das Wasserdefizit auch auf die Wachstumsphase und damit die Größe der Ähren aus. Das Ergebnis: Herr Hirsch kann im Juni statt normalerweise 5000 Kilo Weizen nur knapp 3500 bis 3800 Kilo ernten.

Essentiell für die heurige Ernte ist die kommende Woche. "Zweimal ein schöner Landregen im April wäre schön", sagt Hirsch und meint damit eine Niederschlagsmenge von 50 Millimetern im April. Bisher seien 8 Millimeter gefallen. Die Wettervorhersagen der ZAMG gehen von Niederschlag am Wochenende und in der nächsten Woche aus. Für Hirsch ein Licht am Ende des Tunnels.
Das Gefühl, das die Lage der Landwirte im Moment am besten beschreibe, sei Ohnmacht, sagt Hirsch. Im Gegensatz zu Anbaugebieten wie dem Marchfeld oder dem Tullnerfeld gibt es im Wald- und Weinviertel keine großen Grundwasserreservoirs, auf die man zugreifen kann. Man kann also die Felder nicht beregnen, wie anderswo.
2017 hat das Land Niederösterreich im Zuge einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeit geprüft, Regionen wie das Wein- und Waldviertel über Rohrleitungen mit Donauwasser zu bewässern. "Machbar wäre das schon", sagt Weinhappel. Außerdem wird bereits versucht, spezielle Getreidesorten zu züchten, die die Trockenheit besser überstehen. Für Hirsch ist das im Moment alles Zukunftsmusik. Er bemüht sich, durch pfluglose Bearbeitung seiner Äcker die Verdunstung zu reduzieren und durch ganzjährige Bepflanzung die Böden vor Sonneneinstrahlung zu schützen.
Der andere Schädling
Neben den Wintergetreidesorten sind von den Folgen der Trockenheit auch die Erdäpfel und die Zuckerrüben betroffen. Sie können zwar aktuell mit den geringen Niederschlagsmengen gut umgehen, weil sie mit der Feuchtigkeit, die sie in der Mutterknolle speichern, sehr lange überleben können. Schadhafte Knollen haben jedoch auch indirekt mit der Trockenheit zu tun, weil die hohen Temperaturen und die fehlende Feuchtigkeit im Boden Schädlinge begünstigt.
Im Falle der Erdäpfel ist der Drahtwurm das größte Problem. 2018 mussten 130.000 Tonnen Erdäpfel aufgrund von Wurmbefall teilweise entsorgt, teilweise an die Stärkeindustrie weitergegeben werden. Diese Menge entspricht dem Jahresbedarf von knapp 2,5 Millionen Österreichern. In Niederösterreich liegen 82 Prozent der österreichischen Anbauflächen für Erdäpfel.
"Wir gehen davon aus, dass der Drahtwurm in die Erdäpfel hineingeht, weil er durch die Trockenheit im Boden keine Feuchtigkeit findet", sagt Anita Kamptner, Geschäftsführerin der Interessensgemeinschaft Erdäpfelbau.
In Bezug auf die Erdäpfel bekommt die Trockenheit eine Dimension, die über Niederösterreich hinausgeht und die Ernährungssouveränität in ganz Österreich betrifft. Die heimischen Erdäpfel, die in diesem Frühjahr aufgrund der Ernteausfälle fehlen, werden unter anderem aus Frankreich, Ägypten oder Israel zugekauft. Dort gelten allerdings im Bezug auf Pflanzenschutzmittel andere Regeln als in Österreich. Die nötigen Mittel, um den Drahtwurm von den Erdäpfel fernzuhalten, gebe es nämlich schon, nur sind die in der EU verboten. "Das finden wir natürlich unfair, wenn uns die Betriebsmittel entzogen werden, die wir gegen den Drahtwurm einsetzen könnten und wenn wir dann nicht mehr in der Lage sind, den Markt das ganze Jahr zu versorgen, dann kommen die Erdäpfel aus dem Ausland, wo es völlig egal ist, was dort eingesetzt wird", sagt Anita Kamptner.
"Wir sehen sehr angespannt den nächsten 14 Tagen entgegen", sagt Weinhappel von der Landwirtschaftskammer, auch Hirsch hofft auf baldigen Regen. Trotz der Ertragseinbußen ist die Lage bei einer Betriebsgröße wie jener von Hirsch mit knapp 100 Hektar Fläche noch nicht existenzbedrohend. Bei Kollegen mit kleineren Betrieben sei das aber nicht so sicher, meint Hirsch. Sohn Günther Hirsch schreibt im Moment seine Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur in Wien über den Drahtwurm. Die Trockenheit bereitet auch ihm Kopfzerbrechen. Er denkt daran, wenn er den Betrieb seines Vaters einmal übernimmt, auf kleinere Flächen und Spezialsorten wie Süßkartoffeln oder Melonen umzustellen.