Wien. Nach den Fällen von Polizeigewalt bei einer Klima-Demonstration in Wien ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Beamte, drei sind namentlich bekannt, einer muss noch ausgeforscht werden. Die Wiener Polizei räumte unterdessen ein, dass es zu einer "gefährlichen Situation" gekommen ist. Ein Beamter wurde versetzt, weitere dienstrechtliche Maßnahmen sind für die Behörde nicht erforderlich.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachts der Körperverletzung, der schweren Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung sowie der Gefährdung der körperlichen Sicherheit. Bisher wurden laut der Behörde fünf Zeugen einvernommen. Noch nicht befragt wurden die Beschuldigten, sagte Nina Bussek, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien. Zahlreiche weitere Einvernahmen sollen in den nächsten Tagen stattfinden.
Ein Polizist wurde am Montag in den Innendienst versetzt. Weitere Konsequenzen gibt es seitens der Polizei nicht. "Derzeit sieht die Landespolizeidirektion Wien keine Veranlassung für weitere dienstrechtliche Maßnahmen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA.
Vier Fälle von Polizeigewalt werden nun untersucht. Dabei handelt es sich um den zuerst bekannt gewordenen Fall, wo ein Polizist auf einen in Bauchlage von mehreren Beamten am Boden fixierten Mann mehrfach einschlug. Der Polizist steht im Verdacht, dadurch eine Körperverletzung begangen zu haben. Der zweite Fall betrifft den Vorwurf eines Aktivisten, dass ihm bei der Räumung der Blockade von einem Beamten die Hand gebrochen worden sein soll, weshalb gegen den Beamten wegen schwerer Körperverletzung unter Ausnützung einer Amtsstellung ermittelt wird.
Kopf beinahe von Auto überrollt
Die dritte Causa betrifft jenen Demonstranten, dessen Kopf von Beamten unter einem Polizeiwagen fixiert wurde. Der Fahrer des Fahrzeugs blickte aus dem Fenster noch nach hinten, bevor er wenig später losfuhr. Die beiden Polizisten konnten den Mann im letzten Moment nach oben reißen und so verhindern, dass sein Kopf überrollt wurde. Hier steht eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit im Raum, ermittelt wird gegen einen Beamten. Im Falle einer Verurteilung droht für dieses Delikt eine Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Die vierte Causa betrifft eine allfällige Körperverletzung, erläuterte Behördensprecherin Bussek. Worum es sich dabei genau handelt, sagte sie mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht.
Die Staatsanwaltschaft stellte in ihrer Aussendung klar, "dass die Leitung des Ermittlungsverfahrens allein der Staatsanwaltschaft zukommt. Sämtliche Schritte der Kriminalpolizei erfolgen daher in Absprache mit dem zuständigen Staatsanwalt. Die Verdachtsbeurteilung obliegt ausschließlich der Staatsanwaltschaft Wien", hieß es in der Aussendung. Seitens der Wiener Polizei werden die Erhebungen vom Referat für besondere Ermittlungen geführt. "Es liegt nicht in der Kompetenz der Staatsanwaltschaft, die Ermittlungen auf Polizeiebene in ein anderes Bundesland zu delegieren", erklärte Bussek. Bei der Einvernahme der beschuldigten Polizisten werde aber auf jeden Fall immer auch der Staatsanwalt dabei sein.
Pürstl glaubt nicht an Vorsatz
Der Wiener Polizeipräsident Pürstl sagte am Mittwoch vor Journalisten, dass er nach Ansicht der Videos vom Vorfall beim Polizeiwagen von einem fahrlässigen Verhalten der involvierten Beamten ausgehe. Er bat die Bevölkerung um Vertrauen und versprach "objektive Aufklärung". Eine saubere Aufarbeitung sicherte auch der neue Innenminister Wolfgang Peschorn im Anschluss an seinen ersten Ministerrat zu.
Noch am Dienstag hatte Wiens Vizepolizeipräsident Michael Lepuschitz in mehreren Interviews bestritten, dass der Kopf des Aktivisten unter dem Auto war. Dies wurde am Mittwoch von der Polizei revidiert, sie die Behörde räumte "tatsächlich eine gefährliche Situation" ein. Gegenüber dem "Kurier" sprach Lepuschitz am Mittwoch vom Zusammenkommen "unglücklicher Umstände". Die beiden Polizisten konnten nicht wissen, "dass der Kollege wegfährt".
Lepuschitz äußerte sich auch zu dem ersten aufsehenerregenden Video, das die Schläge auf den am Boden fixierten Mann zeigt. Der Polizeivize meinte dazu, dass es bei den Schlägen darum ging, "die Spannung zu senken", damit dem Mann Handfesseln angelegt werden konnten. Pürstl betonte nach dem BVT-Untersuchungsausschuss, dass der betreffende Beamte die Faustschläge korrekt im Einsatzprotokoll angegeben habe.
Demo gegen Polizeigewalt
Heinz Patzelt, Geschäftsführer von amnesty international (ai), appellierte an die Klimaaktivisten, sich nicht von Polizeigewalt einschüchtern zu lassen. Gleichzeitig kritisierte er im APA-Gespräch die Bilder, die auf dem "widerwärtigen Prügelvideo" zu sehen sind, und den Umgang der Polizeiführung mit den Vorwürfen. Er forderte Entschuldigungen "ohne Wenn und Aber" von sämtlichen Verantwortlichen. Auch betonte der Jurist, dass es keine Prügelpolizei sei, sondern "in weiten Teilen eine professionelle Polizei."
Bei Misshandlungsvorwürfen gegen Polizisten wird immer auch die Volksanwaltschaft informiert. "Wir haben uns im konkreten Fall vergewissert, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet ist und das Verfahren läuft", sagte eine Sprecherin zur APA. Das Verfahren der Staatsanwaltschaft werde nun auch abgewartet.
Am Donnerstag wird in Wien gegen Polizeigewalt demonstriert. Die Versammlung wurde für rund 1.000 Teilnehmer angemeldet, die Exekutive wird mit 490 Beamten im Einsatz sein. Die Demonstration "Halt der Polizeigewalt!" startet um 18.00 Uhr vor dem Verkehrsministerium, die Abschlusskundgebung soll im Sigmund-Freud-Park stattfinden. (apa)