Wien. Ein 14-Jähriger, der seine Mutter ersticht; Jugendgruppen, die Polizisten attackieren; Mädchen, die auf eine 13-Jährige einprügeln: Straftaten Jugendlicher landeten zuletzt vermehrt in den den Schlagzeilen. Handelt es sich dabei um Einzelfälle - oder steigt die Jugendkriminalität?

Recherchen der "Wiener Zeitung" ergaben: Ein signifikantes Plus bei den Tatverdächtigen lässt sich nicht erkennen, auch handelt es sich bei den von Jugendlichen verübten Straftaten weiterhin ganz überwiegend um Bagatelldelikte. Im Bereich der Gewaltkriminalität zeigt der Trend bei den Jugendlichen jedoch nach oben.

Doch alles der Reihe nach. Zahlen des Bundeskriminalamts weisen einen leichten Anstieg bei den Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 17 Jahren auf. 2009 waren es 29.179, 2015 nur mehr 24.247 Tatverdächtige. Seitdem erhöhen sich die Zahlen wieder, 2018 wurden insgesamt 28.827 Tatverdächtige ermittelt.

Dass diese Entwicklung auf einer tatsächlichen Häufung von Jugendstraftaten beruht, bezweifelt Katharina Beclin, Professorin am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien: "Das ist wahrscheinlich auf ein geändertes Anzeigeverhalten zurückzuführen." Jugendliche Straftäter würden generell seltener als Erwachsene angezeigt werden, "da sie meist Bagatelldelikte verwirklichen und man ihnen ihre Zukunft nicht verbauen will". Oft können sie also mit Nachsicht rechnen - weshalb das Dunkelfeld an jugendlichen Straftaten sehr groß sei, so Beclin.

Verurteilungsquote sank deutlich

Die Kriminologin schätzt, dass die Anzeigebereitschaft gegenüber jugendlichen Straftätern zuletzt allerdings gestiegen ist. Darauf deute auch die Zahl an rechtskräftigen Urteilen gegen Jugendliche hin. Während die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen in den vergangenen Jahren konstant blieb beziehungsweise leicht stieg, sanken die Verurteilungen deutlich.

2009 gab es laut dem Sicherheitsbericht des Justizressorts 3155 rechtskräftige Urteile gegen Jugendliche. Seit 2014 hat sich die Zahl bei rund 2000 Urteilen eingependelt, 2017 waren es 2001. Für 2018 liegt noch kein Bericht vor.

Hierbei spiele auch eine wesentliche Rolle, dass bei Jugendlichen vermehrt zu Diversionen gegriffen werde, so Beclin. "Vor allem bei den Staatsanwaltschaften steigt der Anteil an diversionellen Erledigungen. Dort fällt auch der viel größere ,Brocken‘ als bei den Gerichten an." Bei einer Diversion erfolgt keine Verurteilung. Der Betroffene gilt daher weiterhin als unbescholten, er muss dafür aber etwa gemeinnützige Arbeit leisten oder darf unter Setzung einer Probezeit keine weiteren Straftaten verüben. Die Diversion ist bei hinreichend geklärtem Sachverhalt möglich und wird meist bei geringfügigeren Delikten eingesetzt.