Das könne sich dann noch verschärfen, "wenn ethnische Gruppen aneinandergeraten, die sich aus historischen Gründen schon sowieso nicht mögen", sagt Beclin. Grundsätzlich sei die Staatsbürgerschaft aus kriminologischer Sicht aber kein interessantes Kriterium: "Es kommt auf die Sozialisation, Lebenschancen und soziale Integration an." Daher gebe es etwa bei den tschetschenischen Jugendlichen einen überproportionalen Anteil an Gewalttätern: "Sie stammen zu einem großen Teil aus schlimmen Verhältnissen. Viele der nach Österreich Geflüchteten haben Gewalt miterlebt oder selbst erlitten. Das ist ein Risikofaktor dafür, dass man später selbst gewalttätig wird."
"Falsch und undurchdacht"
Ein Anstieg bei den ermittelten Tatverdächtigen zeigte sich in den vergangenen Jahren auch bei den strafunmündigen Jugendlichen, wobei die Zahlen hier jährlich teils stark schwanken. Bei den 10- bis 13-Jährigen pendeln sie sich seit 2009 zwischen 4800 und 6300 Tatverdächtigen ein.
Den Vorschlag der Wiener FPÖ, die Strafunmündigkeit von 14 auf 12 Jahre zu senken, bezeichnet Wörgötter als "falschen und undurchdachten Lösungsansatz.": "Bei Jugendlichen steht der Erziehungs- und nicht der Strafgedanke im Vordergrund, so will es auch der Gesetzgeber." Strafen seien für Jugendliche nicht abschreckend, sagt die Medizinerin. Es bestehe vielmehr die Gefahr, dass Haftstrafen "einen zusätzlich schädigenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben". Bei Jugendlichen müsse auf pädagogische Maßnahmen gesetzt werden, um delinquentes Verhalten zu verhindern.
"Wenn ein 40-Jähriger eine Straftat begeht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich seine Persönlichkeit und Einstellung zur Gesellschaft ändert, niedrig. Bei einem 12- oder 13-Jährigen, dessen Persönlichkeit noch in der Entwicklung befindet, sind die Chancen einer positiven Änderung hoch", so Wörgötter.