Das Reden ist anstrengend, jedes Wort eine Überwindung. Wie ein dunkler Schatten liegt eine lähmende Müdigkeit über all den Dingen, die man machen sollte und eigentlich auch wollte - es fehlt aber die Kraft dazu. Gabriela Hütter kennt die Symptome einer Depression nur zu gut. Über Monate habe sie eine betroffene Patientin begleitet, mit ihr gesprochen, Alltagssituationen mit ihr erlebt und ausgiebige Spaziergänge unternommen, sagt Hütter zur "Wiener Zeitung". Für sie war es wie das Erlernen einer Theaterrolle, wie das Lesen eines Skripts: Hütter ist Schauspielerin und arbeitet als Schauspielpatientin für die Lehrveranstaltung "Ärztliche Gesprächsführung" an der Medizinischen Universität Wien.
"Ich bin die Repräsentantin dieser Patientin", sagt Hütter, die seit bald 20 Jahren diese verkörpert. Oder anders ausgedrückt: Hinter jeder Erkrankung, mit der die angehenden Mediziner im Laufe des Studiums umzugehen lernen müssen, steckt ein konkreter Fall.
Seit dem Studienjahr 2009/10 muss die Lehrveranstaltung "Soziale Kompetenz" im ersten Studienjahr absolviert werden, seit 2010/11 ist die "Ärztliche Gesprächsführung" mit Schauspielpatienten verpflichtend verankert. Davor gab es mehrere Jahre das Explorationspraktikum für Studierende kurz vor dem Rigorosum, das allerdings nur ein Wahlfach war.
Grundsätzlich stand offenbar lange Zeit im Vordergrund, während des Studiums vor allem fachliche Kompetenzen zu erwerben. Erst seit 2015 haben Medizinstudenten im letzten, also sechsten Studienjahr ein Klinisch-Praktisches Jahr im Spital zu absolvieren. Dabei geht es um eine gewisse Basisausbildung zum Erwerb klinischer Grundkompetenzen in den Bereichen Innere Medizin, Chirurgie und Notfallmedizin - und zwar in der Praxis, mit den Patienten selbst. Danach muss sich der angehende Mediziner für eine allgemeinmedizinische oder fachärztliche Ausbildung entscheiden.
Die "Ärztliche Gesprächsführung" soll auf dem Weg dorthin helfen. Sie ziehe sich durch drei Jahre des Studiums, sagt Henriette Löffler-Stastka, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin und Professorin an der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie an der MedUni Wien. Löffler-Stastka war an der Genese der Lehrveranstaltung und deren Aufnahme ins Pflichtprogramm federführend beteiligt. Seit Oktober dieses Jahres ist sie Curriculumdirektorin für die postgraduellen Programme. Eine wichtige Rolle beim Aufbau des Schauspielpatienten-Programms spielte auch Barbara Sommer, die neben Kultur- und Theaterwissenschaften Humanmedizin studiert hat und das Programm zu Beginn leitete (2010/11 gab es einen Kommunikationspreis dafür). Aktuell ist Eva Trappl mit der Leitung betraut.

