Ganz schlimm ist es, wenn jemand das Whiteread-Mahnmal am Judenplatz anschmiert, oder sich auf Hrdlickas Renner-Schädel im Rathauspark verewigt, oder ein Sprayer das Russendenkmal am Schwarzenbergplatz "behübscht". "Wenn es um die Heiligtümer der Republik geht, werde ich sofort angerufen. Das ist heikel."
Monte Wienerberger, studierter Bildhauer, praktizierender Restaurator und Betreiber einer Galerie in Wien-Mariahilf, ist seit über 20 Jahren "freier Mitarbeiter der Stadt Wien". Sein Job ist es, Dinge wieder in Ordnung zu bringen: "Ich bin so was wie die Rettung, nur ohne Blaulicht. Im Grunde genommen leiste ich Erste Hilfe. Da geht es ja nicht nur um die Optik, sondern auch darum, dass sich die Leute nicht wehtun. Wenn ein Teil von einem Marmorsockel abbricht und jemand dabei zu Schaden kommt, dann hat die Stadt Wien ein Problem."
Während sich durch den Ausbruch von Covid-19 der Lebensmittelpunkt bei dem Großteil der Menschen sukzessive in die eigenen vier Wände verlagerte, war es bei Wienerberger genau umgekehrt: "Im Winter herrscht bei mir tote Hose. Da ist mir fad, da sitze ich untätig daheim herum und habe viel Zeit zum Nachdenken." Erst Anfang, Mitte März geht das Geschäft endlich los. Eine totale Ausgangssperre wäre für ihn eine absolute Katastrophe gewesen. "Zu Frühlingsbeginn ist mein Minus am Konto am absoluten Anschlag. Ich muss raus, um Geld verdienen zu können", sagt er. Glücklicherweise hat die Stadt Wien auch heuer wieder ihren Statiker losgeschickt. Der kontrolliert dann diverse "Objekte" im öffentlichen Raum auf ihre Beständigkeit: vom kunstvoll eingefassten Miniteich mit Goldfischbesatz, über Springbrunnen, Statuen, Skulpturen, bis hin zu Betonfiguren im Gemeindebauten und Gedenktafeln, wie sie an zig Wiener Häusern zu finden sind. "Der klopft und schleckt ab, reißt überall dran. Fällts runter, fällts nicht runter. Steht wo ein Stangl weg, fehlt wo ein Finger. Auf dieser Basis erstellt er für die Stadt seine Mängelliste, die im besten Fall dann meine Auftragsliste ist", sagt Wienerberger.
Obwohl der 59-Jährige den ganzen Tag draußen unterwegs ist, hält sich der zwischenmenschliche Kontakt in Grenzen. Manchmal steht ein Polizist daneben, der das Denkmal bewacht, viele Projekte wickelt Wienerberger gemeinsam mit seiner Partnerin, einer Restaurateurin, ab. "Wenn wir ankommen, riegeln wir unseren Arbeitsbereich mit Baustellenbandeln ab. Spätestens ab dem Zeitpunkt traut sich niemand mehr an uns heran", meint Wienerberger lachend.
Die Baustellenbänder haben coronabedingt mittlerweile auch Einzug in die Wohnung gehalten: "Wir haben damit eine Stelle markiert, an der wir das Arbeitsgewand und alles andere ablegen. Und da hüpfen wir dann drüber und in unsere Hausschlapfen hinein." Nein, "eingekastelt" fühle er sich trotz allem nicht, meint Wienerberger. Auch wenn er nachvollziehen kann, dass vielen die Decke auf den Kopf fällt. Bei seiner Arbeit an den "Kunst am Bau"-Objekten in den mitunter tristen Gemeindebauten der 70er Jahre, mit ihrem wenig attraktiven Wohnumfeld, wird diese Beengtheit, die nicht nur eine physische ist, für ihn greifbar. "Und da steht dann plötzlich mittendrin eine Skulptur, eine meterlange Terrakottawand, ein Brunnen. Und ich denke mir jedes Mal: So schön! Auch wenn es vielleicht gar nicht so schön ist. Aber die Idee dahinter, dass man den Menschen, die dort wohnen, ein Kunstwerk geschenkt hat, für das ein Künstler Geld und auch Ansehen bekommen hat. Die Idee ist großartig." Vielleicht sollten die Menschen viel mehr aus ihren Fenstern schauen.