Die Zahlen sind alarmierend – für Barbara Haid, Mitglied im Präsidium des Österreichischen Bundesverbands für Psychotherapie (ÖBVP), aber keineswegs überraschend: "Es wurde bei der Bewältigung der Pandemie lange Zeit auf die Kinder und Jugendlichen mit ihren ganz speziellen Bedürfnissen vergessen. Diese Versäumnisse müssen jetzt so rasch wie möglich aufgeholt werden."
Wie sehr die Zeit drängt, zeigt eine aktuelle Untersuchung der Donau-Universität Krems und der Medizin-Uni Wien: Demnach haben 16 Prozent der SchülerInnen suizidale Gedanken, 56 Prozent leiden unter depressiven Symptomen, rund 50 Prozent unter Ängsten.
56 Prozent mit depressiver
Symptomatik
Die psychische Gesundheit von Schülern hat sich laut der Studie mit rund 3.000 Befragten während der Krise massiv verschlechtert. Die Häufigkeit der Beschwerden bei über 14-Jährigen hat sich, wie auch jene von Schlafstörungen, verfünft- bis verzehnfacht. Bereits 16 Prozent haben suizidale Gedanken, auch das ist ein deutlicher Anstieg. "Die Ergebnisse sind besorgniserregend", wird Studienleiter Christoph Pieh von der Donau Universität Krems in einer Aussendung zitiert.
Die Studie belegt auch einen deutlichen Anstieg der Handynutzung: Mittlerweile verbringe rund die Hälfte der Schülerinnen und Schüler täglich fünf Stunden oder mehr am Smartphone, das ist doppelt so viel wie 2018. "Das ist umso bedenklicher, als dass mit steigender täglicher Handynutzung auch die Häufigkeit psychischer Beschwerden deutlich zunimmt", betont Pieh. Auch wenn die Mobiltelefone dabei auch genutzt werden, um soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, scheine dies den persönlichen Kontakt nicht ersetzen zu können. Gleichzeitig zeigt die Studie eine deutliche Abnahme der körperlichen Bewegung.
Handlungsbedarf bei Psychotherapieangeboten
Pieh ortet dringenden Handlungsbedarf und appelliert, bei zukünftigen Entscheidungen die psychosozialen Folgen der Pandemie stärker zu berücksichtigen. Neben einer raschen und an die Schwere der Beschwerden angepassten psychischen Betreuung solle auch körperliche Bewegung gefördert werden. Paul Plener von der Medizinischen Universität Wien plädiert darüber hinaus auf die Einhaltung eines Tag-Nacht-Rhythmus' mit ausreichend Schlaf und eine Wiederaufnahme der sozialen Kontakte. Gerade in schweren Fällen und vor allem dann, wenn Gedanken auftauchen, nicht mehr weiterleben zu wollen, sei jedoch professionelle Hilfe wichtig und auch möglich.
Haid vom Bundesverbands für Psychotherapie, spricht von einem "Fleckerlteppich bei psychotherapeutischer Versorgung von Kindern": "In den Bundesländern gibt es unterschiedliche Konzepte, verschiedene Krankenkassen haben unterschiedliche Kontingente bei den Psychotherapiestunden - auch abhängig von Wohnort und Beruf der Eltern." Diese beschränkende Kontingentierung solle "ersatzlos gestrichen werden", unterstreicht auch ÖBVP-Präsident Peter Stippl.
Zusätzlich könne in den Schulen ein niederschwelliges Angebot in Form einer psychotherapeutischen Beratung eingezogen werden – mit dem Ziel, Kindern möglichst rasch zu helfen und so schwerwiegendere Probleme abzuwenden. Haid: "In Tirol gibt es dazu einige Pilotprojekte, die sich bewähren und als Best Practice-Beispiele auch für andere Bundesländer herangezogen werden könnten." (apa)